Die Brauneckbahn in Lenggries und ihre Geschichte

Schon in den 1920er Jahren trifft man in den bayerischen Voralpen erste Wintersportler an, die die weitläufigen Hänge für ein Vergnügen auf zwei Brettern zu schätzen wissen. Der Grossraum München liegt nicht weit entfernt – und auch die Verkehrsanbindung ist bereits zu dieser Zeit gut. So sind es nicht nur Einheimische, die sich zu dieser Zeit rund um das Brauneck oberhalb der Ortschaft Lenggries tummeln. Unweit von Bad Tölz gelegen bietet das Brauneck einen der schneesichersten Hänge der Region. Doch eine Abfahrt ist stets mit einem beschwerlichen dreistündigen Aufstieg verbunden. So werden die Rufe nach einer Aufstiegshilfe nach dem Zweiten Weltkrieg immer lauter. Im benachbarten Tegernseer Tal und am Spitzingsee nehmen zu Beginn der 50er Jahre die ersten Seilbahnen den Betrieb auf. Die Anlagen erfreuen sich grosser Beliebtheit, sind zuverlässig im Betrieb und locken mehr und mehr Gäste an.

Nach 16-monatiger Bauzeit ist es im November 1957 dann auch in Lenggries soweit. Die 3,2 Kilometer lange Brauneckbahn kann den Betrieb aufnehmen. Doch die Geschichte der Bahn beginnt im weitesten Sinne bereits ein halbes Jahrhundert vor ihrer Eröffnung. Ende des 19. Jahrhunderts beginnen die deutschen Firmen Pohlig und Bleichert mit der Entwicklung von Materialseilbahnen zum Rohstoffabbau im Gebirge. Die oft in unwegsamem Gelände gelegenen Abbaustätten sollen per Seilbahn mit dem Talboden verbunden werden und die Abbauprodukte bis zu 100 Kilometer weit transportieren.

Die Anfänge der Luftseilbahn

Seilbahnen nach heutigem Verständnis gibt es zu jener Zeit fast ausschliesslich in Form der schienengebundenen Standseilbahn. Die deutschen Luftseilbahnen sind da eine Revolution. Um die Förderleistung möglichst hoch zu halten, setzt das System erstmalig auf ein kontinuierlich umlaufendes Seil, an dem in regelmässigen Abständen Transportbehälter befestigt werden. Allerdings nicht permanent, denn in den Stationen wird die Befestigung automatisch über einen Hebel gelöst – ein Prinzip, das heute aus dem Seilbahnbau nicht mehr wegzudenken ist.

Drahtseile und ihre Eigenschaften sind zu diesem Zeitpunkt noch wenig erforscht. Insbesondere die Bruchlasten werden sehr konservativ geschätzt. Dementsprechend gering werden die Abspannungen bemessen. Zahlreiche Zwischenstützen sind somit notwendig, da die Seile auf den Spannfeldern sonst zu stark durchhängen würden. Zudem erfolgt der Einsatz eines zusätzlichen Drahtseils, das einzig eine Tragefunktion übernimmt – es ist die Geburtsstunde der Zweiseilumlaufbahn.

Viele Jahrzehnte später werden Seilbahnen auch immer häufiger zur touristischen Erschliessung und damit für den Personentransport eingesetzt. Wiederum ist es die Firma Bleichert, die mit ihren Grosskabinenpendelbahnen Erfolge verzeichnen kann. Doch mit nur zwei Kabinen können die Anlagen häufig nicht die gewünschte Förderleistung aufbringen. Bereits in der Zwischenkriegszeit entstehen Ideen, die dieses Problem zu lösen versuchen.

Kuppelklemmen nach dem System Wallmannsberger

Einer der ersten, der sich mit der Entwicklung eines kapazitätsstärkeren Systems beschäftigt, ist der Salzburger Ingenieur Georg Wallmannsberger. Er erkennt das Potenzial der frühen deutschen Materialseilbahnen und konstruiert in Anlehnung an die automatische Klemme der Firma Pohlig ein Laufwerk für Zweiseilumlaufbahnen mit Personentransport. Über den Aufbau und die Berechnungen verfasst er seine Dissertation. Die Idee sieht für eine vierplätzige Kabine einen Klemmapparat mit zwei separaten Schraubklemmen vor, die über einen Hebel bei der Stationseinfahrt geöffnet und bei der Ausfahrt wieder geschlossen werden. In der Station selbst ist die Klemme geöffnet. Da die Hebel zum Schliessen bei der Ausfahrt über den Totpunkt geworfen werden, erhält die Konstruktion später den Namen Wurfhebelklemme.

Für seine Idee findet Wallmannsberger zunächst jedoch keine Abnehmer. Erst nach dem zweiten Weltkrieg steigt der Bedarf an kapazitätsstarken Seilbahnanlagen. Der Ingenieur entwickelt eine modifizierte Variante seines Laufwerks mit Federklemme und findet ab 1949 mit der Schweizer Firma Bell und dem österreichischen Konzern Wiener Brückenbau zwei Lizenznehmer für seine Neuentwicklung. Die erste Anlage der Schweiz nach dem System Wallmannsberger kann 1950 in Crans im Wallis den Betrieb aufnehmen, noch im selben Jahr folgt in Österreich die Stubnerkogelbahn in Bad Gastein. In den nächsten Jahren entstehen zahlreiche weitere solche Anlagen im Alpenraum, später auch in Übersee.

Die Brauneckbahn – Ein Unikat von Friedrich Krupp

Auch die Brauneckbahn wird mit dem Wallmannsberger-System ausgestattet. Den Bauauftrag erhält jedoch keiner der etablierten Hersteller, sondern das Essener Schwerindustrie-Unternehmen Friedrich Krupp. Erst- und einmalig betätigt sich die Firma damit im Seilbahnbau. In technischer Sicht ist die Anlage trotzdem kaum von den anderen Anlagen mit dem System Wallmannsberger zu unterscheiden. Auffälliger ist da schon die Trassierung. Nach einem eher flachen Beginn folgt ein steiler Abschnitt im Wald. Krupp setzt zur Ablenkung des Förderseils am Beginn des Steilstücks auf einen bei Zweiseilumlaufbahnen extrem seltenen Niederhalter.

Erst im letzten Streckendrittel flacht der Verlauf wieder ab, führt aber spektakulär mit grossem Bodenabstand über einen Talkessel zur Bergstation in 1517 Metern Höhe. Rund 850 Höhenmeter überwindet die Anlage und ermöglicht den Skifahrern endlich einen bequemen Aufstieg zum Brauneck. Das Wallmannsberger-System ist an der Brauneckbahn allerdings nur während der ersten Jahrzehnte im Einsatz. Später erfolgt der Einbau modifizierter Schraubklemmen, die von der Firma Pohlig auch bei der benachbarten Wallbergbahn in Rottach-Egern und der Rheinseilbahn in Köln eingesetzt werden.

Umbruchstimmung zur Jahrtausendwende

In der Folge entwickelt sich am Brauneck eines der grössten Skigebiete der Region. Unzählige Schlepplifte und einige Sesselbahnen ergänzen die bestehende Kabinenbahn, die mit ihrer stündlichen Förderleistung von 400 Personen oft am Anschlag ist. 1993 wird die Talstation schliesslich weiter hangaufwärts aus dem Dorfzentrum hinaus verlegt. Einerseits kann auf diese Weise der schneearme und skifahrerisch uninteressante flache untere Streckenteil umgangen werden. Andererseits kann die Förderleistung durch einen geringeren Kabinenabstand auf etwa 500 Personen pro Stunde gesteigert werden.

Nur sechs Jahre später folgt dann aber ein weit grösserer Umbau, bei dem die Kabinen durch neue Exemplare von der Firma CWA ersetzt werden. Gleichzeitig erfolgt auch eine erneute Erhöhung der Förderleistung durch zusätzliche Kabinen. Die zusätzliche Last muss im oberen Streckenteil durch weitere Stützen getragen werden, wofür die Konstruktionen des 1993 aufbelassenen unteren Streckenteils verwendet werden. 2004 wird die Brauneckbahn dann ein drittes Mal innerhalb eines guten Jahrzehnts umgebaut. Diesmal erhält sie eine neue Bergstation.

Seither ist die Brauneckbahn weitgehend unverändert in Betrieb. Mit der 1957 erbauten Konstruktion hat sie heute nicht mehr viel gemeinsam. Dennoch ist sie nicht nur für den Ausflugsgast auch heute noch eine bequeme Aufstiegshilfe, sondern auch aus seilbahntechnischer Sicht aufgrund ihrer bewegten Geschichte definitiv eine Fahrt wert!

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