Aufbruch in die Canterbury Plains

Zum vorerst letzten Mal stehe ich an diesem Morgen früh auf, um den Sonnenaufgang zu fotografieren. Am kommenden Wochenende sieht es nach langer Zeit wieder einmal nach regnerischem Wetter aus. Noch in der Morgendämmerung verlasse ich den überaus positiv in Erinnerung bleibenden Campingplatz am Lake MacGregor, um am Lake Tekapo die bunten Laubbäume in der Morgensonne abzulichten. Eigentlich habe ich am Vortag noch überlegt, den Sonnenaufgang vom Mount John aus zu fotografieren, aber die Maut für die Benutzung der Straße zum Observatorium schreckt mich letztlich ab. Unten am See gibt es aber wahrscheinlich ohnehin die schöneren Perspektiven.

Sonnenaufgang am Lake Tekapo

Genauso kommt es auch. Der – mir gehen langsam die Adjektive aus – Sonnenaufgang ist auch hier einmal mehr das mühsame frühe Aufstehen absolut wert. Der türkisblaue See, die prächtigen Herbstfarben, es passt einfach alles. Nur mit den unglaublichen Mengen an anderen Fotografen habe ich nicht gerechnet. So muss ich ganz schön suchen, um die Landschaft möglichst ohne andere Personen zu fotografieren. Was mir anfänglich auch gelingt.

Aber nach der Ankunft der ersten vollgestopften Reisebusse mit der asiatischen Selfie-Fraktion gehen mir die Möglichkeiten aus. Irgendwie ist mir das ein Rätsel, warum sich die Leute vor jedem verdammten See, Berg, Haus, Baum, Grashalm, wasweißichwas selbst fotografieren müssen? Gegen die Sonne, alle Gesichter schwarz – macht nix, Foto unscharf – auch egal, den anderen Leuten durchs Bild gerannt – „oh, sorry“ (unschuldiges Gesicht dazu denken), jede Menge Blumen platt getrampelt – was soll’s, in fünf Minuten fährt der Bus schon wieder weiter, Hauptsache der Beweis – ich war da! Dazu eine Bildbeschreibung, garniert mit einem irgendwo geklauten Spruch und natürlich ein paar flotten Hashtags, damit die Freundesliste nur so vor Neid erblasst. Ist man heute kein kompletter Mensch, wenn man nicht pausenlos diese Art von Selbstdarstellung bei Facebook und Co. betreibt?

Sonnenaufgang am Lake Tekapo

Langsam werde ich wirklich faul

Naja, bevor ich ins Philosophische abdrifte, widme ich mich lieber wieder dem deutlich ruhigeren südwestlichen Seeufer, wo ich den ganzen restlichen Vormittag verbringe und die Sonne genieße, wenngleich schon von Westen her die ersten Ausläufer der Schlechtwetterfront am Horizont auftauchen. Langsam werde ich wirklich faul. Aber nach dem ganzen hervorragenden Wetter, mit dem ich im Vorfeld nie gerechnet hätte, bin ich nun mit meinem Programm eigentlich schon komplett durch. Nur noch der Arthur’s Pass und Christchurch stehen auf der Liste, dann geht es weiter nach Australien.

Nach meiner Mittagspause nehme ich schweren Herzens Abschied vom Lake Tekapo, der mir ähnlich wie Wanaka mit am besten gefallen hat auf der Südinsel. Doch nun, wo die Wolken unaufhörlich näher rücken und der Wind merklich zunimmt, ist es Zeit für mich, den letzten der großen neuseeländischen Seen hinter mir zu lassen und in die Canterbury Plains aufzubrechen, der großen Ebene an der Ostküste der Südinsel. Tekapo, ich werde dich sicher nie vergessen – der See, die Farben, die Landschaft, und nicht zuletzt natürlich der Flug über die Alpen, all das werde ich immer in ausnahmslos positiver Erinnerung behalten!

Abschied vom Lake Tekapo

Ein kleines, zumindest temporäres, Souvenir nehme ich aber doch noch schnell aus dem Dorfladen mit. Noch einmal eine Ausgabe des köstlichen Seeteufels und des knusprigen Brots, das hier zwar als Baguette beworben wird, in Wirklichkeit aber mit einem Baguette nicht viel gemeinsam hat. Vielmehr handelt es sich um ein helles Wurzelbrot.

Ausgestattet mit so viel gutem Essen trete ich die rund einstündige Fahrt bis nach Geraldine an, einem unspektakulären Ort am Fuße der Alpen, mitten in der Ebene. Touristisch gibt es hier wenig Bedeutsames, vielmehr ist der Ort Ausgangspunkt für Aktivitäten in den Bergen, von denen von hier aus im Umkreis von einer Stunde Fahrzeit jede Menge erreicht werden können. Unterwegs tanke ich in Fairlie noch ein wenig auf, nachdem ich der Annahme bin, das Benzin sei hier billiger als im weitaus abgelegeneren Tekapo. Ist natürlich wieder einmal nicht der Fall, dafür stelle ich kurze Zeit später in Geraldine fest, dass das Benzin dort deutlich günstiger ist. Ich mache es aber auch einfach immer verkehrt!

Fahrt in die Canterbury Plains nach Geraldine

Grumpy’s Retreat in den Canterbury Plains

Dafür ist der etwas außerhalb gelegene Holiday Park, der auf den ominösen Namen „Grumpy’s Retreat“ hört, durchaus einen Aufenthalt wert. Günstig, mit freiem und unbegrenztem WLAN, warmen Duschen, hervorragend ausgestatteter Küche, alles inklusive. Grumpy macht, anders als sein Name vermuten lässt, ebenfalls einen höchst sympathischen Eindruck. Ein älterer Herr mit rustikalem Auftreten begrüßt mich an der Rezeption und zeigt mir mit durchaus erkennbarem Stolz seine Anlage. Sogar einen Pool und einen Tennisplatz gibt es hier!

Da es noch recht früh ist, will ich als erstes meinen Blog aktualisieren, denn natürlich möchte ich meine grandiosen Erlebnisse der letzten Tage auch mit der Heimat teilen. Doch da geht es dann los. Das WLAN funktioniert natürlich nicht. Zu ärgerlich, denn das ist der Hauptgrund, warum ich diesen Holiday Park gewählt habe, damit ich morgen den Tag dazu nutzen kann, endlich einmal ein paar dringend notwendige Sachen im Internet zu erledigen. Keine IP-Adresse verfügbar. Naja, vielleicht geht es ja später. Wahrscheinlich müsste nur mal jemand den Router neu starten, aber ich will Grumpy jetzt auch nicht gleich mit so etwas nerven.

Wenn es morgen immer noch nicht gehen sollte, werde ich mal nachhaken. Den Blog aktualisiere ich mühsam über das Handy, weil das Verwenden eines Hotspots nach wie vor von den Netzbetreibern hier nicht zugelassen wird. Glücklicherweise hat das WLAN dann aber doch noch Erbarmen und ich kann meine Texte letztlich über den Laptop einstellen. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass es theoretisch mit vielen Tricks und Umwegen auch möglich ist, meine Fotos und Reiseberichte über das Handy hochzuladen.

Farbenfrohe Wolken am Himmel über den Canterbury Plains

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