Ich beschliesse nach dem Passieren der Grenze, mir auf dem Weg zwischen Mittenwald und Garmisch eine Unterkunft zu suchen. Eigentlich hatte ich ja vor, im Auto zu übernachten, aber nach dem missglückten Aufenthalt in dem Hotel in Cortina wäre mir eine Dusche schon ganz recht. Gegen Camping hätte ich auch nichts einzuwenden, wobei es da ja durchaus Probleme geben kann, wenn man im Auto übernachten will…
Leider werde ich bis zum Ortseingang in Garmisch-Partenkirchen nicht fündig, was eine Unterkunft angeht, sodass ich ein wenig durch den Ort irre. Doch mit fortschreitender Tageszeit wird die Suche zu einem zermürbenden Unterfangen. Im ersten Versuch macht keiner die Tür auf, beim zweiten kann man nicht parken, das dritte Hotel ist ausgebucht und das vierte beschilderte kann ich gar nicht erst finden.
Übernachtung am Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen
Nach einem weiteren Versuch und mittlerweile einer Dreiviertelstunde Suche habe ich die Schnauze voll und mache mich wieder ein Stück in Richtung Mittenwald auf. Dort bin ich kurz zuvor an einem etwas abgelegenen Parkplatz vorbeigekommen, den ich mir schonmal als Notfalloption im Hinterkopf behalten habe. Etwas abseits der Strasse, aber doch noch in Sichtweite des Ortes mache ich es mir gemütlich, kopiere meine Fotos auf den PC und esse noch die letzten verbliebenen Naschsachen, die ich beim Tanken in Innsbruck gekauft habe. Als gegen neun Uhr die Dunkelheit hineinbricht, bereite ich meinen Schlafsack vor und lege mich schon bald ins improvisierte Bett. Da ich keine Taschenlampe dabei habe, habe ich keine Lichtquelle, sodass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als früh schlafen zu gehen.
Etwas mulmig ist mir ja schon, vor allem wegen des defekten Handys. Immerhin habe ich im Zweifelsfall keine Möglichkeit, irgendjemand anzurufen. Als der Verkehr am Abend langsam abnimmt, komme ich aber langsam zur Ruhe und kann trotz einer etwas unbequemen Liegeposition bis gegen fünf Uhr schlafen. Zu diesem Zeitpunkt werde ich durch einen Lastwagen gestört, der ausgerechnet diesen Parkplatz für eine Rast aufsucht. Zum Glück dauert der Aufenthalt nicht sonderlich lange. An schlafen ist aufgrund der inzwischen hereinbrechenden Dämmerung aber trotzdem nicht mehr zu denken. Immerhin – nach der sternenklaren Nacht erwartet mich ein sonniger Tagesbeginn.
Auf der Suche nach einer interessanten Seilbahn
Doch wie soll eigentlich das weitere Programm aussehen? Der Nachmittag ist relativ klar, dann soll es nach Bad Kohlgrub und von dort aus wieder nach Hause gehen. Doch der Vormittag steht quasi zur freien Verfügung. Und interessante Bahnen gibt es rund um Garmisch genug! Prominenteste ist sicher die Bahn auf die Zugspitze. Doch dort war ich bereits 2006, genau wie an der Eckbauerbahn, einer wunderschönen PHB-Kabinenbahn mit Giovanola-Klemmen. Interessant sind ebenfalls die Habegger-Pendelbahn Kreuzeck und eine Doppelmayr-Zweiseilumlaufbahn namens Alpspitz.
Mein Favorit ist zunächst die Eckbauerbahn, denn obwohl ich sie schon gefahren bin, so ist eine Seilbahn mit offenen Zweierkabinen aus den 50er Jahren doch immer einen Besuch wert. Bevor ich aber noch länger auf dem Parkplatz warte, entschliesse ich mich gegen 7.30 Uhr dazu, einmal zur Eckbauerbahn zu fahren und zu sehen, wann diese öffnen wird. Etwas enttäuscht lese ich an der Talstation, dass die Bahn erst ab neun Uhr in Betrieb sein wird. Also noch über eine Stunde warten?
Da kommt mir plötzlich in den Sinn, dass es ja noch eine weitere Bahn in Garmisch gibt, die ebenfalls Giovanola-Klemmen besitzt. Die Kabinenbahn zum Wank. Auch wenn sie deutlich jünger ist als die Eckbauerbahn, so sollte sie gleichwohl technisch interessant sein und ein schönes Panorama auf die Zugspitze und die umliegenden Alpengipfel bieten. Nach einer weiteren Irrfahrt durch den Ort entdecke ich dann schliesslich einen Wegweiser, der mich zur Talstation der Bahn führt. Inzwischen ist es kurz nach acht Uhr, der Betrieb wird in einer guten halben Stunde aufgenommen. Na gut, so lange kann ich warten.
Da die Bahn während des laufenden Betriebs erst ausgaragiert wird, warte ich für die Fotos noch einen Moment ab, bis ein paar Kabinen auf der Strecke unterwegs sind.
Von Garmisch-Partenkirchen auf den Wank
Die Wankbahn stammt aus dem Jahr 1982 und war damals eine der letzten Kabinenbahnen, die mit den legendären Giovanola-Schwerkraftklemmen versehen wurde. Hersteller der mit einer Streckenlänge von insgesamt 3195 Metern in zwei Sektionen längsten Kabinenbahn Deutschlands war die Firma PWH, ihres Zeichens Nachfolgeunternehmen der Firma PHB, dem Zusammenschluss der drei grossen deutschen Hersteller Pohlig, Heckel und Bleichert. Mit ihrem vollautomatischen Betrieb in den Stationen, den modernen Kabinen und ihren Vierkantstützen ist die Bahn auf den ersten Blick kaum von einer heutigen, modernen Kabinenbahn zu unterscheiden.
Gerade das Fehlen der in der Schweiz typischen Fachwerkstützen bei Bahnen mit dem Giovanola-System macht die Anlage zumindest optisch zur modernsten mit diesem Kuppelsystem. Trotzdem besitzt die Bahn einige typische Charakteristika, wie beispielsweise das heftige Schaukeln der Kabinen beim Beschleunigen und Verzögern in den Stationen. Ersetzt wurde mit der Bahn auf gänzlich neuer Trasse eine Pendelbahn, die aus dem Hause Bleichert stammte und 1929 eine der vielen Pioniertaten des Leipziger Konstrukteurs und Vordenkers in der Seilbahnwelt darstellte.
Unterwegs in einer der typischen, blau gehaltenen DeGiorgi-Kabinen.
Nach anfänglich eher flachem Verlauf überwindet die Bahn in der Streckenmitte der ersten Sektion einen steileren Abschnitt, ehe direkt vor der Station dieser tiefe Taleinschnitt überwunden wird. Schon von hier aus geniesst man einen schönen Blick auf Garmisch-Partenkirchen.
Spektakuläre zweite Sektion
Gleich hinter der Station geht es ähnlich spektakulär weiter. Ein weiteres Tal wird in grosser Höhe überwunden, …
… ehe ein langer und spektakulärer Steilhang folgt.
Die Aussicht auf Garmisch-Partenkirchen und die umliegenden Gipfel bessert sich hierbei sekündlich. Am linken Bildrand sind die Pisten des Hauptskigebiets von Garmisch zu erkennen. Der Berg links vom sichtbaren Zugseil ist die Zugspitze, mit 2964 Metern Höhe die höchste Erhebung Deutschlands.
Nach einem Stützenquartett und 1022 Höhenmetern ist die Bergstation erreicht.
Die aufgeräumte Bergstation der Wankbahn. Was für ein Kontrast zu Italien am Vortag.
Panorama auf Garmisch, die Zugspitze und Bayern
Panorama vom Gipfel mit Blick auf die Bayerischen und Österreichischen Alpen.
Blick ins Skigebiet „Garmisch Classic“ mit der Kreuzeck- und Alpsitzbahn.
Die Zugspitze. Die Stütze rechts gehört übrigens nicht zur deutschen Eibseeseilbahn, sondern zur zweiten Bahn auf den Gipfel, der Tiroler Zugspitzbahn.
Inzwischen, gegen 9.30 Uhr, schaufelt die Wankbahn unzählige Wanderer auf den Gipfel.
Das ehemalige Skigebiet am Wank
Der letzte Überrest des einstigen Skigebiets am Wank ist diese Stütze eines ehemaligen Skilifts von Karl Heuss. Zwischen 1972 und 1978 erstellte die Firma insgesamt sechs Skilifte rund um den Gipfel, die mehrheitlich nordseitige Pisten erschlossen. Nachdem der höchste, aber etwas abgelegene Lift bereits in den 90er Jahren stillgelegt wurde, wurde 2002 der Entschluss gefasst, den Skibetrieb am Wank komplett einzustellen. Diese Entscheidung, aus wirtschaftlichen Gründen gefällt, war nicht nur aus Skifahrersicht traurig, sie bedeutete auch das Aus für mehrere technisch sehr interessante Skilifte. Nicht weniger als drei Baco-Kurven zählten die Skilifte in diesem Gebiet!
Das Panorama auf Garmisch-Partenkirchen.
Trasse des ehemaligen Gipfellifts, der auch als Rückbringer zur Kabinenbahn diente. Auf dem sichtbaren Plateau und am Hang links davon befanden sich drei weitere Skilifte, die nach langer Zeit des Stillstands erst vor wenigen Jahren rückgebaut wurden. Schade, in Italien würden sie wohl noch stehen :( .
Bergstation der Wankbahn vom Ausstieg des ehemaligen Gipfellifts. Am rechten Bildrand ist das Bergstationshäuschen vom Sonnenhanglift erkennbar, der bereits in den 90er Jahren stillgelegt wurden.
Talfahrt nach Garmisch-Partenkirchen
Wieder auf dem Weg ins Tal, im steilsten Abschnitt der Wankbahn.
In der Mittelstation, wo sich die beiden Antriebe der Sektionen befinden.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.