Das Panorama auf den grössten Gletscher der Alpen ist wohl von nirgendwo sonst so imposant wie vom knapp 3000 Meter hohen Eggishorn. Von hier oben rückt der Aletschgletscher auf nahezu seiner kompletten Länge ins Blickfeld. Vom Jungfraujoch bis hin zum Gletscherende am Aletschwald.
Nostalgische Seilbahn aufs Eggishorn
Erreichbar ist das Eggishorn seit der zweiten Hälfte der 60er Jahre mit einer Luftseilbahn. Und auch heute noch ist diese kleine, nostalgische Anlage ohne grössere optische Veränderungen in Betrieb. Konstruiert wird die Bahn seinerzeit vom Seilbahnhersteller Garaventa aus Goldau. Sie ist die zweite Sektion einer Pendelbahnachse von Fiesch über die Fiescheralp bis in 2867 Meter Höhe. Die Bergstation liegt damit etwas unterhalb des eigentlichen Eggishorn-Gipfels, der über einen kurzen Fussmarsch aber schnell erreicht ist.
Die Eggishornbahn zeichnet sich durch eine ganze Reihe von Besonderheiten aus. Am auffälligsten ist zweifelsohne die Tatsache, dass die Bahn je Fahrspur nur ein einzelnes Tragseil besitzt. In der Schweiz ist diese Bauweise damals nicht besonders verbreitet, ganz im Gegensatz zu Österreich, Italien und Frankreich. Sowohl die nationale Konkurrenz von Habegger und von Von Roll als auch Garaventa selbst setzen zu dieser Zeit seit Jahrzehnten nahezu ausschliesslich auf die Verwendung von Doppeltragseilen, auch bei Bahnen mit kleineren Kabinen. Auch die 1966 eröffnete erste Sektion Luftseilbahn von Fiesch zur Fiescheralp von Garaventa besitzt zwei Tragseile je Fahrspur.
Aussicht auf Berner und Walliser Alpengipfel
Die Strecke der Anlage auf das Eggishorn zeichnet sich durch mehrere lange Spannfelder aus. Eine hohe Fachwerkstütze in der unteren Hälfte teilt die Strecke in zwei Abschnitte. Die zweite, deutlich kleinere Stütze befindet sich nur wenige Meter unterhalb der Bergstation. 2019 wird die Anlage in diesem Bereich bislang letztmalig saniert, weil der Untergrund durch den auftauenden Permafrostboden instabil geworden ist. Ein Problem, das viele Seilbahnen in den Alpen plagt, hier aber zum Glück vorerst gelöst werden kann. Seither ist die Seilbahn wieder regelmässig im Einsatz. Angetrieben wird sie dabei von der Talstation aus und bringt es auf eine maximale Fahrgeschwindigkeit von 8 m/s, die Stützenüberfahrten erfolgen natürlich mit deutlich verringertem Tempo. Rund sechs Minuten sind die Kabinen jeweils unterwegs, woraus sich bei ihrem Original-Fassungsvermögen von 45 Personen eine rechnerische Gesamtförderleistung von 495 Personen pro Stunde und Richtung ergibt.
Insgesamt beträgt die Distanz zwischen den beiden Stationen gut 1,8 Kilometer, auf denen die Kabinen 654 Höhenmeter überwinden. Die Strecke ist damit deutlich kürzer und auch die überwundene Höhendifferenz ist geringer als auf der ersten Teilstrecke. Nichtsdestotrotz erfreut sich die Eggishornbahn bereits in den ersten Jahren einem grossen Zulauf von Touristen. Nicht nur wegen der fabelhaften Aussicht auf die Berner und Walliser Alpen, sondern auch wegen der anspruchsvollen Skiabfahrten rund um die Fiescheralp. Bis Mitte der 70er Jahre entstehen unterhalb des Eggishorns zahlreiche Schlepplifte und mit der Anbindung an die Bettmeralp und Riederalp wächst die Aletscharena zu einem der grössten Skigebiete im Oberwallis an. Ab 1974 beseitigt ein zweiter Zubringer auch den bestehenden Kapazitätsengpass auf der ersten Teilstrecke.
Ein echter Exot am Aletschgletscher
Und obwohl mittlerweile auch auf der Fiescheralp zahlreiche leistungsstarke Sesselbahnen ihre Runden drehen und die erste Sektion einer modernen Kabinenbahn gewichen ist, kommt die Gipfel-Seilbahn noch immer so daher wie vor über einem halben Jahrhundert. Sie ist damit in der Aletscharena ein echter Exot. Doch das hat seine guten Seiten. Denn anders als viele andere Alpengipfel strahlt das Eggishorn noch immer eine gewisse Exklusivität aus. Dass der Berg eben gerade nicht mit einer Hochleistungsseilbahn erschlossen ist, macht ihn zu etwas ganz Speziellem. Genauso wie seine Skiabfahrt, die spektakulär über den Berggrat trassiert ist und zusätzliche Personen ohnehin nicht vertragen würde.
Und auch die wunderschöne Seilbahn trägt zu dem nostalgischen Gesamterlebnis bei. Das Eggishorn besitzt auch heute noch eine Infrastruktur, wie sie in den 60er und 70er Jahren auf vielen Schweizer Gipfeln anzutreffen ist. Ein gemütliches Bergrestaurant, eine Aussichtsplattform und natürlich die kleine Seilbahn mit ihren charakteristisch roten Kabinen. Sie zählt mittlerweile zu den ältesten touristisch genutzten Luftseilbahnen des Landes und ist daher nicht nur wegen der Aussicht einen Besuch wert. Egal ob im Winter oder im Sommer, ein Ausflug zum Eggishorn ist auch wegen seiner Pendelbahn attraktiv.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.