Mit einer Höhe von 2348 Metern über dem Meer zählt das Brienzer Rothorn zu den schönsten Aussichtsgipfeln der Alpen. Gelegen am Kulminationspunkt der drei Kantone Bern, Obwalden und Luzern zieht es dank seiner verschiedenen Aufstiegshilfen seit 130 Jahren Touristen aus nah und fern an. Bereits 1892 nimmt hier eine der ersten Bergbahnen der Schweiz ihren Betrieb auf. Die Brienz-Rothorn-Bahn ist trotz zeitweiser Stilllegungen und Ersatzprojekte in ihrer langen Geschichte bis heute ein beliebtes Ausflugsziel. Auch deshalb, weil die Strecke als eine der ganz wenigen in den Alpen bis heute planmässig mit Dampflokomotiven befahren wird.
Nostalgie-Zahnradbahn von Brienz aufs Brienzer Rothorn
Doch auch für Seilbahnfans hat das Brienzer Rothorn eine ganz besondere Anlage zu bieten. Von der Nordseite erschliesst seit dem Jahr 1971 eine spektakuläre Luftseilbahn den Berggrat unterhalb des eigentlichen Rothorngipfels. Eine klassische Pendelbahn aus den 70er Jahren, die von Sörenberg im Kanton Luzern hier auch ein kleines Skigebiet erschliesst. Bis heute ist die mittlerweile vierzigjährige Anlage weitgehend unverändert in Betrieb. Eine Bestätigung der langlebigen Bauweise der Konstrukteure, die sich seinerzeit dem Projekt annehmen.
Verantwortlich für die Seilbahntechnik zeichnen damals gleich zwei namhafte Schweizer Hersteller. Die Anlage entsteht im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts der Maschinenfabrik Bell aus Kriens und dem seinerzeit allgegenwärtigen Berner Seilbahnkonstrukteur Von Roll. Von aussen ist die Anlage allerdings kaum von anderen Von-Roll-Luftseilbahnen aus jener Zeit zu unterscheiden. Ähnliche Bahnen entstehen zur gleichen Zeit auch in Leukerbad, an der Klewenalp, am Chäserrugg im Obertoggenburg, in der Lenk oder in Flims.
Seilbahn und Skigebiet auf der Nordseite des Brienzer Rothorns
Charakteristisch für die Luftseilbahn am Brienzer Rothorn sind ihre markanten Fachwerkstützen. Trotz ihrer enormen Länge von über 2,7 Kilometern benötigt sie nur deren drei. 1040 Höhenmeter legen die beiden Kabinen bei einer Fahrt zurück. Bereits die steile Ausfahrt aus der Talstation stellt auf einen spektakulären Verlauf der Strecke ein. Die ersten beiden Stützen folgen schon bald darauf kurz nacheinander, bevor es auf das längste Spannfeld der gesamten Strecke geht. Besonders die zweite Stütze mit ihrer seitlichen Verankerung im Fels ist imposant.
Im Verlauf des langen Spannfelds kreuzen sich auch die beiden Kabinen der Luftseilbahn. Gefertigt werden sie seinerzeit von der Firma CWA und fassen jeweils 80 Personen. Diese Grösse ist seinerzeit Standard. Wegen ihrer Länge und dementsprechend beachtlichen Fahrzeit beläuft sich die Förderleistung jedoch auf überschaubare 600 Personen pro Stunde und Richtung. Im Normalfall ist das allerdings ausreichend, denn das zugehörige Skigebiet ist aufgrund seiner begrenzten Grösse nicht wirklich für die Massen gemacht. Die Hänge an der Alp Eisee sind durchaus anspruchsvoll, insbesondere die steile Talabfahrt hat es in sich. Der obere Teil der Pisten wird von einer Sesselbahn für Wiederholungsfahrten erschlossen, erreichbar sind sie von der Bergstation der Luftseilbahn aber erst nach einem kurzen Marsch durch eine Lawinengalerie.
Lebendiges Zeitdokument aus den 70er Jahren
Den grösseren Zulauf erfährt in Sörenberg üblicherweise das wesentlich grössere Skigebiet Rossweid am Dorfrand, das mit einer Kabinenbahn, mehreren Sesselbahnen und unzähligen Schleppliften auftrumpfen kann. Schon in den 50er Jahren entstehen an diesen Hängen die ersten seilgezogenen Aufstiegshilfen, darunter später auch echte Unikate wie ein doppelstöckiger Schlepplift oder ein Zweiseilschlepplift nach Bauweise Küpfer. Die Pisten im Skigebiet Rossweid sind aber wesentlich weniger anspruchsvoll, sodass das Brienzer Rothorn im Winter ein echter Geheimtipp für fortgeschrittene Wintersportler ist. Mittlerweile sind beide Skigebiete durch einen kurzen Schlepplift nahe der Talstation der Luftseilbahn miteinander verbunden. Auch im Sommer ist der Gipfel mit seiner Aussicht aber einen Besuch wert, ganz egal ob mit der Dampfzahnradbahn vom Berner Oberland aus oder mit der Luftseilbahn aus dem Entlebuch.
Die Pendelbahn auf das Brienzer Rothorn ist allerdings auch aus seilbahnhistorischer Sicht ein bedeutendes Denkmal, mit dem sich eine Fahrt auf jeden Fall lohnt. Die Anlage zählt unterdessen zu den ältesten ihrer Art in der Schweiz und ist mit der Sichtbetonbauweise ihrer Stationen auch optisch ein lebendiges Zeitdokument aus den 70er Jahren. Darüber hinaus stellt sie ein einmaliges Gemeinschaftsprojekt zweier Urgesteine des Schweizer Seilbahnbaus dar, die sich hier mit einer beeindruckenden Seilbahn erneut verewigt haben.
Eine Ersatz-Seilbahn für das Brienzer Rothorn
Allzu lange wird die Luftseilbahn Sörenberg-Brienzer Rothorn in ihrer jetzigen Form allerdings nicht mehr in Betrieb sein. Der Ersatz durch eine neue Pendelbahn mit 80-plätzigen Kabinen ist bereits beschlossene Sache. 2022 soll der Bau der neuen Bahn beginnen, mit einer Fertigstellung wird bis Ende 2023 gerechnet. Dann wird unweigerlich ein grosses Kapitel der Schweizer Seilbahngeschichte zu Ende gehen. Und auf der anderen Seite vielleicht ein neues beginnen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.