Eine Autostrasse sollte einst von dem Thermalkurort Leukerbad im Wallis über den Gemmipass nach Kandersteg ins Berner Oberland führen. Bis in 2400 Meter Höhe hätte diese Verbindung als Alpenübergang für den Individualverkehr führen sollen. Geworden ist aus dem ambitionierten Projekt nie etwas. Dafür ist der bereits seit dem 13. Jahrhundert bedeutende Gemmipass seit mittlerweile über sechs Jahrzehnten durch eine Seilbahn erschlossen.
Steil hinauf von Leukerbad zum Gemmipass
Die imposante Luftseilbahn Leukerbad-Gemmi ist in ihrer heutigen Form seit dem Jahr 2012 in Betrieb. Zwischen Frühling und März jenes Jahres erstellt die Firma Bartholet an dieser Stelle eine Pendelbahn mit zwei Kabinen, die jeweils 35 Personen Platz bieten. Die Trassierung der Bahn ist dabei ausgesprochen spektakulär. Von der Talstation am oberen Ortsrand von Leukerbad geht es über ein langes Spannfeld steil bergauf. Rechts und links bietet sich aus der Kabine ein beeindruckender Blick auf die umliegenden senkrecht abfallenden Felswände im Gemmi-Gebiet, in Richtung Süden eröffnet sich ein kontinuierlich besser werdendes Panorama auf die südlichen Walliser Alpen.
Insgesamt 920 Höhenmeter überwinden die Kabinen auf der knapp zwei Kilometer langen Strecke bis zur Bergstation, die wie ein Adlerhorst an der Felskante des Gemmipasses zu kleben scheint. Nicht weniger spektakulär ist aber auch der Standort der einzigen Stütze der Pendelbahn im oberen Teil der Strecke. Auf einem Felsvorsprung ist der kleine Fachwerkmast in schwindelerregender Höhe platziert. Rundherum geht es in nahezu alle erdenklichen Richtungen mehrere hundert Meter in die Tiefe. Auch in der Kabine der Gemmi-Seilbahn sorgt die Überfahrt der Stütze daher für ein mulmiges Gefühl bei manchen Fahrgästen. Verstärkt wird das Spektakel auch durch das Ruckeln während der Überfahrt, denn die Kabine erfährt an dieser Stelle eine leichte Kurve zur Innenseite. Weil die Seilspur in den Stationen viel kleiner ist als auf der Strecke, wo die beiden Kabinen Raum für eine Begegnung brauchen, erfolgt an dieser Stütze eine leichte horizontale Ablenkung der Seile.
Panorama auf die Walliser Alpen
Von der Bergstation aus bietet sich dann ein prachtvolles Panorama. Sowohl nach Süden auf die Walliser Alpen, als auch nach Nordosten auf die Hochebene rund um den Daubensee. An diesem entlang führt der Weg nach Kandersteg und damit auf die Alpennordseite. Früher ein bedeutender Transitweg führt über die Strecke heute eine beliebte Wanderung ins Berner Oberland. An die vergangenen Zeiten erinnert oben auf der Passhöhe auch noch das längst stillgelegte frühere Hotel Wildstrubel. Und neben dem Hotel trifft man hier auch noch auf manch interessanten Seilbahn-Überrest.
Die Sessel gehören zu einer Anlage, die heute nicht mehr in Betrieb ist. An ihrer Stelle steht seit 2003 eine kurze Luftseilbahn. Die Pendelbahn vom Zentralschweizer Kleinseilbahnspezialisten Niederberger verkürzt im Sommer den Weg zum Daubensee und erschliesst im Winter ein grösseres Langlaufareal. Zwei Stützen überwinden die beiden vierplätzigen Kabinen bei einer Fahrt über 124 Höhenmeter. Sie ist Nachfolger einer kurzen Sesselbahn, die die Firma Baco an diesem Ort 1980 dem Betrieb übergeben kann. Es ist eine der wenigen fix geklemmten Zweiersesselbahnen des Herstellers aus dem Berner Oberland, der damals zu grossen Teilen bereits auf Technik des französischen Seilbahnriesen Poma zurückgreift. Die Anlage dient damals auch dem Alpinskisport, doch langfristig kann sich der kurze Hang gegenüber dem nahegelegenen Skigebiet Torrent nicht behaupten.
Gemmi-Pendelbahnen am Passübergang
Und obwohl damit heute zwei Luftseilbahnen den Gemmipass aus beiden Richtungen erschliessen, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite die kurze, flache Pendelbahn zum Daubensee, auf der anderen Seite die steile und spektakuläre Verbindung nach Leukerbad. 1957 nimmt an dieser Stelle die erste Anlage den Betrieb auf. Eine kleine Pendelbahn aus dem Hause Von Roll, die damals zweite Seilbahn in Leukerbad, nachdem gut ein Jahrzehnt zuvor hier bereits ein erster Schlepplift den Betrieb aufgenommen hat. Im Gegensatz zur heutigen Bahn besitzt das Original noch eine zusätzliche Stütze oberhalb der Talstation und ist mit etwas kleineren Kabinen unterwegs. Nach einem Umbau im Jahr 1974 wächst die Kabinengrösse auf 30 Personen an, wodurch bei einer maximalen Fahrgeschwindigkeit von 5,5 m/s maximal 280 Personen pro Stunde und Richtung befördert werden können. Die heutige Anlage erreicht maximal 10 m/s und befördert stündlich 330 Personen.
Geblieben sind jedoch die nostalgisch anmutenden Stationen des Vorgängers. Trotz der deutlich grösseren Grundfläche der Kabinen und der Erweiterung von einem auf zwei Tragseile je Fahrspur ist es dem Hersteller Bartholet gelungen, die Anlage in der bestehenden Bausubstanz unterzubringen. Möglich macht das in erster Linie ein Schiebeperron in den Stationen, das stets der jeweils gerade aktuellen Kabine Platz macht. Ein wenig ursprünglicher Charme bleibt der Gemmibahn damit auch heute noch, über sechs Jahrzehnte nach ihrer Eröffnung, erhalten.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.