Sesselbahnen sind in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Mittel der Wahl, wenn es um einen bequemen Aufstieg zur nächsten Skiabfahrt geht. Anders als beim schon damals weit verbreiteten Schlepplift schweben die Fahrgäste entspannt in Richtung Bergstation, im Winter genau wie im Sommer. In Österreich finden sich derartige Anlagen schon bald zu hunderten. Anfänglich noch mit einplätzigen Sesseln, ab 1954 dann auch immer häufiger in der Doppelvariante. Auch heute ist die Sesselbahn aus Skigebieten nicht mehr wegzudenken. Anlagen aus der Ursprungszeit finden sich in Österreich jedoch nur noch äusserst selten. Eine Ausnahme stellt die Garfreschabahn in St. Gallenkirch dar. Sie erschliesst einen Teil des Skigebiets Silvretta-Montafon und ist mit Baujahr 1969 die älteste noch weitgehend original erhaltene Doppelsesselbahn Österreichs.
Die älteste weitgehend original erhaltene Doppelsesselbahn Österreichs
Dass es sich bei ihr um ein absolut einmaliges Exemplar handelt, wird schon bei der steilen Ausfahrt aus der Talstation deutlich. Bis zu 95% beträgt die Steigung in diesem Abschnitt, danach wird die Strecke etwas flacher. Trotzdem überwindet sie insgesamt auf unter 1,4 Kilometern Länge über 600 Höhenmeter. Ein beeindruckender Wert für eine fix geklemmte Sesselbahn, der heute nur noch allzu selten erreicht wird. Zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung ist die Anlage aber keinesfalls ein Einzelfall. Derartige Bahnen sind in Österreich in den 60er und 70er Jahren in allen Landesteilen in hoher Stückzahl anzutreffen.
Grund dafür ist unter anderem das Zögern der Behörden bei der Zulassung kuppelbarer Einseilumlaufbahnen. Anders als in den Nachbarländern entstehen diese in Österreich daher erst viel später. So muss man sich zur damaligen Zeit mit anderen Mitteln helfen. Grosse Pendelbahnen eignen sich fürs grobe Gelände, ansonsten sind sie aber viel zu teuer in Bau und Unterhalt. Fix geklemmte Zweiersesselbahnen wie die Garfreschabahn sind daher der ideale Weg, um längere Strecken bequem und bezahlbar zu überbrücken.
Seitliche Schliessbügel als Markenzeichen
Vor allem als Zubringer in Skigebiete sind die Sesselbahnen gerne gesehen, ermöglichen sie doch auch bei zu geringer Schneelage eine Möglichkeit, um wieder zurück ins Tal zu kehren. Dieser Gedanke liegt auch der Garfreschabahn zugrunde, denn ihre Talstation befindet sich auf gerade einmal 900 Metern über dem Meer. Konstruiert wird sie seinerzeit von der Maschinenfabrik Girak, einem der jahrzehntelang führenden Seilbahnkonstrukteure in Österreich. Mit einem hörbar lauten Antrieb in der Bergstation und einer Gewichtsabspannung im Tal besitzt sie gleich zwei typische Elemente dieses Herstellers. Ebenso typisch sind die seitlichen Schliessbügel an den Sesseln, die hier nach wie vor original im Einsatz sind. Nicht zuletzt deshalb besitzt die Sesselbahn echten Seltenheitswert. In anderen Ländern teilweise verboten oder längst ausgestorben findet dieses einst so weit verbreitete System hier noch immer Verwendung.
Ein weiteres auffälliges Merkmal ist die geringe Sesselfolgezeit. Weil die Anlage schon kurz nach ihrer Eröffnung als wichtiger Zubringer in ein grösseres Skigebiet an ihre Grenzen gerät, wird die Förderleistung durch zusätzliche Fahrzeuge 1977 auf 1440 Personen pro Stunde angehoben. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von maximal 2,5 m/s verlangt der enge Sesselabstand durchaus etwas Konzentration bei den Fahrgästen.
Die Garfreschabahn – Ein Unikat im Montafon
Die anderen, später ergänzten und modernisierten Seilbahnen in und um St. Gallenkirch haben den Druck auf die Sesselbahn Garfrescha mit der Zeit etwas vermindert. Das dürfte wohl auch der Grund dafür sein, warum sie auch heute, über ein halbes Jahrhundert später, noch immer im Einsatz ist. Inmitten der restlichen modernen Seilbahnen im Montafon wirkt sie ein wenig aus der Zeit gefallen. Doch gerade das macht sie zu etwas ganz Besonderem. Denn sie ist nicht einfach nur ein Zubringer in ein Skigebiet, sondern ein letzter lebendiger Zeuge aus einer Zeit, als die Berghänge in ganz Österreich mit solchen Bahnen bestückt waren. Ewig wird die Nostalgie aber wohl auch hier nicht mehr weilen. Wer die klassische Seilbahnkultur der Alpenrepublik noch einmal erleben will, sollte der Garfreschabahn also unbedingt einen Besuch abstatten.
Die historisch bedeutsame Versettlabahn
Und auch einen Ort weiter talaufwärts findet sich ein Seilbahnexemplar mit dem Prädikat fahrenswert. Gaschurn ist seit Jahrzehnten einer der bekanntesten Talorte des Skigebiets Silvretta-Montafon im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Schon in den 1940er Jahren entstehen hier die ersten Aufstiegshilfen für den Skisport, heute finden die Wintersportler eine grosse Anzahl moderner Anlagen. Und natürlich darf ein populärer Name der Seilbahnwelt in Österreich auch in Gaschurn nicht fehlen – Doppelmayr. Der renommierte und heute weltgrösste Seilbahnhersteller zeichnet auch im Montafon für zahlreiche Anlagen verantwortlich. Eine der ältesten und gleichzeitig historisch bedeutsamsten ist die lange Versettlabahn mit ihren zwei Sektionen.
Der Charme der 80er Jahre wird bereits vor, aber insbesondere in der Talstation deutlich. Die typischen grossen Seilscheiben lenken das Förderseil in einen Spannschacht mit Gegengewicht, ein Kettenförderer transportiert die Kabinen im Stationsumlauf. Und unweigerlich fällt der Blick dabei auch auf die markanten Seilklemmen aus dem Hause Doppelmayr. Doch dazu später mehr. Über Reifenförderer werden die Kabinen auf die Seilgeschwindigkeit von 5 m/s beschleunigt und schiessen daraufhin aus dem Talstationsgebäude hinaus.
Auf dem ersten Streckenabschnitt geht es in der Folge noch recht gemächlich den Berg hinauf. Doch kaum haben die Kabinen die letzten Häuser von Gaschurn hinter sich gelassen, taucht die Anlage in den Wald ein und führt von nun an deutlich steiler den Berg hinauf in Richtung der Zwischenstation am Rehsee. Knapp 70% Steigung erreicht das Seil in diesem Abschnitt und wird über 13 Zwischenstützen abgelenkt. Mit knapp 1,4 Kilometern schräger Länge ist die erste Sektion nur wenig länger als die zweite und überwindet insgesamt 500 Höhenmeter.
Fabelhafte Aussicht auf die Gipfel des Montafon
Nach rund fünf Minuten Fahrzeit kommt die Zwischenstation in Sicht, in der sich die beiden Antriebe der Sektionen befinden. Der Standort der Station hat hier eine Tradition, die weit älter ist als die 1986 eröffnete Versettlabahn. Denn schon der Vorgänger besitzt zwei Teilstrecken mit einer Umsteigemöglichkeit an dieser Stelle. Vor dem Bau der heutigen Anlage sind zwei Sektionen Einersesselbahn der Firma Steuer hier im Einsatz, die Mitte der 60er Jahre eröffnet werden. Die erste Sektion ist seinerzeit bereits Ersatz für einen noch älteren Schlepplift, dem mit Baujahr 1949 ersten in Gaschurn.
Ein Umsteigen in der Zwischenstation ist heute nicht mehr notwendig, da die sechsplätzigen Kabinen der Firma CWA automatisch zur jeweils nächsten Sektion weitertransportiert werden. Auch in dieser Station erfolgt der Transport durch Kettenförderer. Die zweite Sektion steigt in weiten Teilen weniger kontinuierlich an als die erste. Auf einen steilen Abschnitt direkt nach der Zwischenstation folgt ein eher flacher Teil. Auf der zweiten Streckenhälfte werden dann erneut an einem steilen Abhang die meisten der insgesamt 535 Höhenmeter überwunden. Insgesamt beträgt die vertikale Distanz zwischen Tal- und Bergstation der Versettlabahn damit mehr als einen Kilometer. 2015 Meter beträgt die Höhe der Bergstation über dem Meeresspiegel.
Technikdenkmal von Doppelmayr
Auch in der Bergstation sind wieder die markanten grossen Seilscheiben anzutreffen, die das Förderseil der zweiten Sektion in einen Schacht leiten, wo es mit einem Gegengewicht abgespannt wird. Wie üblich in den 80er Jahren erfolgt die Abspannung des Seils bei solch grossen Anlagen noch nicht hydraulisch, sondern noch konventionell mit einem Gewicht. Abgesehen davon zeigt sich an der Versettlabahn aber bereits die fortschrittliche Technologie von Doppelmayr, die in den Folgejahren dafür sorgt, dass der Hersteller im Bereich der kuppelbaren Einseilumlaufbahnen zum Marktführer avanciert. Anders als beispielsweise die Schweizer Konkurrenz setzt Doppelmayr weit weniger auf eine komplexe Mechanik, sondern auf deutlich kostengünstigere elektronische Lösungen. Ein Prinzip, das sich gemeinsam mit der immer weiter fortschreitenden Standardisierung der Bauteile in den Folgejahren durchsetzen kann.
Fortschrittliche Seilklemmen aus den 80er Jahren
Fortschrittlich ist die Versettlabahn aber auch in punkto Seilklemmentechnologie. Nachdem Doppelmayr ab den 1970er Jahren zunächst die VR102-Klemme des Schweizer Seilbahnpioniers Von Roll in Lizenz nutzt, entwickelt das Unternehmen in Kooperation mit der Firma Schweiger eine abgewandelte Klemme für kuppelbare Zweier- und Dreiersesselbahnen. Wiederum hieraus entsteht in der Folge die deutlich grössere erste DS-Klemme, die Doppelmayr ab Anfang der 80er Jahre bei kuppelbaren Kabinenbahnen einsetzt. Diese Doppelmayr-System-Klemme ist anfänglich gemäss den behördlichen Vorgaben noch als Doppelklemme ausgeführt. Bei der Versettlabahn kommt dagegen erstmalig bei einer sechsplätzigen Kabinenbahn eine einfache Klemme zum Einsatz. Die DS106 ist in der Folge weltweit anzutreffen.
Eine Doppelversion dieser Klemme schafft es übrigens kurze Zeit später ebenfalls auf den Markt. Dann bereits für Kabinen mit bis zu zwölf Personen Fassungsvermögen. In der ersten Hälfte der 90er Jahre löst schliesslich die bekannte Torsionsklemme die DS-Reihe im Hause Doppelmayr ab. Anlagen mit letzterer Seilklemme existieren allerdings auch heute noch in grosser Zahl. Die Versettlabahn ist allerdings als Ursprung dieser modernen Baureihe ein echter Meilenstein des Seilbahnbaus und daher unbedingt eine Fahrt wert. Mittlerweile zählt sie zu den ältesten ihrer Art in Österreich und wie lange sie noch in Betrieb sein wird, das ist leider einmal mehr etwas ungewiss. Ihre etwas ältere Schwester, die Valiserabahn im nahegelegenen St. Gallenkirch, ist bereits einem Neubau gewichen. Jene Bahn ist übrigens zeit ihres Lebens noch mit der allerersten Version der DS-Doppelklemme unterwegs. So bleibt zu hoffen, dass wenigstens dem technisch wie historisch bedeutsamen Schmuckstück in Gaschurn noch einige weitere Betriebsjahre bevorstehen.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.