Als ich gegen 4.30 Uhr kurz aufwache, sieht es alles andere als nach dem erhofften Sonnenaufgang aus, denn Wolken verhüllen den gesamten Nachthimmel und leichter Regen setzt in diesen Momenten ein. Das darf doch einfach nicht wahr sein! Die ganze Fahrt um das East Cape dient eigentlich nur dem einen, einzigen Zweck, den weltweit frühesten Sonnenaufgang zu erleben. So drehe ich mich, in der Hoffnung, dass sich das Wetter in den nächsten beiden Stunden bessert, noch einmal herum. Ich schlafe bis um 6 Uhr, als mich das Klingeln des Weckers aus den Tiefen holt. Ein Blick aus dem Fenster lässt wieder Hoffnung aufkeimen. Zwar ist es immer noch relativ dicht bewölkt, aber gegen Osten sind einige Sterne am Nachthimmel erkennbar.
Das frühe Aufstehen macht sich bezahlt
Überall auf der Campingwiese gehen um diese Zeit die Lichter in den Wohnmobilen und Campervans an, denn alle sind wegen des ein und selben Zwecks hierher, sprichwörtlich ans Ende der Welt, gefahren. Svenja und ich machen uns gegen 6.15 Uhr auf den Weg zum Leuchtturm. Die Strecke beträgt zwar nur noch gute sechs Kilometer. Die abenteuerliche Schotterpiste sorgt aber dafür, dass wir doch knappe 20 Minuten brauchen, bis wir den kleinen Parkplatz am Ende der Straße erreichen. Hier erwarten uns noch 800 Treppenstufen bis zum Leuchtturm, für die wir weitere 15 Minuten benötigen.
Doch die Mühen des frühmorgendlichen Aufstiegs sind schnell vergessen, als vom Leuchtturm aus der bereits sichtbar helle Horizont erkennbar ist. Direkt über dem Wasser liegt ein kleines Wolkenband. Doch darüber ist der Himmel klar, während weiter oberhalb wiederum dichtere Wolken vorherrschen. Die Szenerie ist atemberaubend und wirkt gleichzeitig ein wenig surreal. Ich blicke auf die Weiten des endlos scheinenden Pazifiks. Wohl wissend, dass hier nichts, aber auch rein gar nichts mehr außer Wasser kommt. Bis dann, in weiter Ferne, irgendwann die Küste von Chile folgt – tausende Kilometer entfernt. Wer jemals behauptet hat, er sei am Ende der Welt gewesen, den muss ich enttäuschen. Hier ist das wahre Ende der Welt!
Stille am Ende der Welt
Obwohl sich rund ein Dutzend Personen zu dieser frühen Stunde am East Cape eingefunden haben, fällt während des ganzen Sonnenaufgangs kein einziges Wort. Jeder Einzelne lauscht den Wellen des Pazifiks und genießt dieses einzigartige Naturschauspiel, als die Sonne langsam die Wolken am Horizont zum Glühen bringt und schließlich über sie hinweg steigt. Auch wenn ich schon viele Sonnenaufgänge erlebt habe – dieser ist ein ganz spezieller. Der einsame Ort, fernab jeglicher Zivilisation, das Wissen, dass hinter dem Landstrich, auf dem man sich befindet, nichts weiter als Wasser folgt, die eindrücklichen Wolkenformationen. All das macht diesen Moment zu magischen und unvergesslichen Erlebnis.
Rapide gewinnt die Sonne an Höhe und verschwindet schon bald wieder hinter den dichten, hohen Wolken. Das Spektakel ist so schnell vorbei, wie es begonnen hat. So steigen wir kurz darauf die zahllosen Stufen hinab zu Svenjas Auto, mit dem es wieder zurück zur Campingwiese geht, wo wir uns verabschieden und den Weg Richtung Süden antreten. Da wir in etwa die gleiche Route fahren, ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass wir uns im Verlauf der Reise eventuell noch einmal begegnen.
Abschied vom East Cape
Just als ich meinen Campervan startklar gemacht habe, beginnt es erneut in Strömen zu regnen. Jetzt spielt es keine Rolle mehr. Aber dennoch wird deutlich, wie viel Glück mit im Spiel war, dieses Schauspiel so eindrucksvoll erlebt haben zu können.
Zurück in Te Araroa folge ich den Wegweisern nach Gisborne, das von hier aus noch rund 130 Kilometer entfernt liegt. Die Straße verläuft auf dieser Seite des East Cape weiter im Landesinneren, sodass mir Blicke auf die schroffe Steilküste hier leider verwehrt bleiben. In der Tolaga Bay lege ich bei inzwischen wieder fabelhaftem Wetter eine Mittagspause ein, um kurze Zeit später nach links von der Hauptstraße abzubiegen und einen Abstecher zur Küste einzulegen.
Der Steg von Tolaga Bay
In der Tolaga Bay findet sich ein historischer und längst nicht mehr genutzter, etwa 600 Meter langer Kai, der 1929 als Schiffsanlege- und Verladestelle gebaut wurde. Heute ist der Steg nur noch eine Touristenattraktion. Und wahrlich nichts für schwache Nerven, denn wie zu Zeiten der Nutzung gibt es im vorderen Bereich kein Geländer. Ich halte mich daher lieber mit etwas Respektabstand vom Rand des Stegs fern. Die hohen Wellen sind auch von hier eindrücklich erlebbar. Ganz in der Nähe legte übrigens auch James Cook 1769 an Land an. Die Stelle, die entsprechend den Namen Cook‘s Cove trägt, ist über einen längeren Wanderweg erreichbar. Da mir allerdings schon nach dem kurzen Marsch am East Cape wieder die Blase am rechten Fuß Probleme macht, verzichte ich auf die Wanderung und setze meinen Weg Richtung Gisborne fort.
Angekommen in der östlichsten Stadt Neuseelands
Gegen 14 Uhr erreiche ich auch schon meine geplante Unterkunft für heute. Einen kleinen Holiday Park, direkt an der Pazifikküste in der Bucht von Tatapouri gelegen. Nach drei Nächten auf ganz einfachen Campingplätzen ist es wieder einmal an der Zeit, den Wassertank aufzufüllen, in den Genuss einer warmen Dusche zu kommen und vor allem endlich meine Wäsche zu waschen. Genau das klappt allerdings wieder nicht, denn ausgerechnet auf diesem Platz gibt es nur eine Waschmaschine, aber keinen Trockner. Das nutzt mir natürlich herzlich wenig, denn trocknen kann die Wäsche bei mir im Camper nicht wirklich bis heute Abend. Zudem erscheint mir die Funktionsweise der einzigen Waschmaschine etwas dubios, denn das Wasser muss manuell in die Trommel geschüttet, dann die Wäsche ins Wasser gelegt und schließlich die Maschine gestartet werden. Waschpulver ist auch keines vorhanden, ich selbst habe auch keines dabei. So bleibt die Wäsche also erst einmal schmutzig.
Auch das Auffüllen des Wassertanks gestaltet sich kompliziert, da es keine Füllstation gibt, weswegen ich das Wasser zuerst in Flaschen abfüllen und dann in den Tank schütten muss. Das einzig Positive an der Ausstattung ist dann aber, dass ich zum ersten Mal auf meiner Reise in Neuseeland Zugang zu einem kostenlosen und gut funktionierenden WLAN habe. Welch ein Luxus! So nutze ich den Nachmittag zur Aktualisierung meines Blogs und suche mir in Gisborne eine Wäscherei, die ich morgen anfahren will. Da kann ich wenigstens sicher sein, dass die Wäsche hinterher sauber und trocken ist. Ohnehin muss ich morgen noch einige Sachen erledigen. Unter anderem brauche ich neues Campinggas und ein paar Einkäufe für Getränke und Essen stehen auch noch auf dem Plan. Außerdem muss ich zusehen, dass ich endlich wieder einmal ein Stück Fisch bekomme, denn den hatte ich schon seit Auckland nicht mehr.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.