Es ist kein Geheimnis, dass die französischen Alpen zu meinen liebsten Reisedestinationen zählen. Die spektakulären Viertausender, die vergletscherten Hänge, aber auch das Essen und die Leute sind für mich immer wieder aufs Neue Grund genug, den südwestlichen Teil des Alpenbogens anzusteuern. Insbesondere die Natur in den französischen Alpen-Nationalparks ist einfach unübertroffen.
Dass ich Anfang Juli für ein verlängertes Wochenende in den Nationalpark Vanoise aufbreche, hat aber noch einen anderen Hintergrund. Nach zahlreichen erfolglosen Anläufen in den vergangenen Jahren möchte ich endlich einmal die beiden Sommerskigebiete von Tignes und Val d’Isère besuchen. Es sind zwei der wenigen Sommerskigebiete in den Alpen, die mir noch fehlen. Und die stets besondere Atmosphäre beim Skifahren in der warmen Jahreszeit dürfte in diesem Jahr nach der ausgefallenen Wintersaison in Frankreich noch etwas spezieller sein.
Wandern im Nationalpark Vanoise
Die Fahrt nach Tignes und Val d’Isère gibt mir aber auch die Möglichkeit, nach dem morgendlichen Skivergnügen am Nachmittag die Skischuhe gegen Exemplare zum Wandern zu tauschen und noch ein wenig den Nationalpark Vanoise zu erkunden. Der mit Gründungsjahr 1963 älteste französische Nationalpark beheimatet eine artenreiche Flora und Fauna. Besonders interessant aus Fotografensicht sind dabei die Steinbockkolonien, die hier ähnlich wie im angrenzenden Nationalpark Gran Paradiso in großer Zahl anzutreffen sind.
Zumindest theoretisch. Denn mitten in der französischen Ferienzeit ist der Nationalpark Vanoise von unzähligen Wanderern gut besucht. Entsprechend schlecht schätze ich die Chancen ein, am hellichten Tag in der Nähe eines Wanderwegs auf das scheue Steinwild zu treffen. Trotzdem breche ich nach dem Skifahren in Tignes noch zu einer Wanderung von der Pont Saint-Charles in ein kleines Tal auf. Die markante Brücke ist Teil der Passstraße zum Col de l’Iséran und liegt gleich neben einem großzügig bemessenen Wandererparkplatz. Von hier führt ein vielbegangener Wanderweg durch die Gorges du Malpasset und weiter zum Col de la Lose, der sich auf der Grenze zwischen Frankreich und Italien befindet.
Die ersten Steinböcke nach wenigen Minuten
Wirklich weit muss ich in das Tal jedoch nicht hineinlaufen. Bereits wenige Minuten nach meinem Aufbruch am Parkplatz entdecke ich die ersten Tiere. Direkt am Ufer der rauschenden Isère beobachtet eine Steingeiß ihre Jungen beim Grasen. Ich verstecke mich etwas hinter einem Busch, um möglichst unauffällig ein paar Fotos zu machen. Doch die Tiere haben mich natürlich ebenfalls bereits entdeckt. Sie lassen sich von mir aber nicht stören. In ausreichendem Abstand kann ich sie eine Zeit lang beobachten. Leider rückt dann aber eine Gruppe Motorradfahrer an und versucht allen Ernstes, Selfies mit den Tieren zu machen. Was natürlich misslingt. Die Steinböcke ziehen sich daraufhin recht schnell in höhere Gefilde zurück.
Schade, denke ich, doch ich kann mit der Ausbeute durchaus zufrieden sein. Dass ich überhaupt auf Tiere treffen würde, hatte ich anfänglich ja gar nicht erwartet. In der Hoffnung, vielleicht doch nochmal auf Steinwild oder auf Murmeltiere zu treffen, steige ich über einen anfänglich steilen Weg in Richtung der Gorges du Malpasset auf. Unzählige Wanderer kommen mir nun entgegen. Einige Wortwechsel später bin ich wieder optimistischer, doch noch auf weitere Tiere zu treffen. Denn angeblich sollen weiter oberhalb noch weitere Tiere anzutreffen sein.
Posierende Steinböcke vor der Isère und der Grande Motte
Und tatsächlich. Als der Strom von Wanderern am späten Nachmittag langsam abnimmt, entdecke ich die beiden Jungtiere wieder, die hier à la Gian und Giachen auf einem Felsvorsprung die Wanderer aus sicherer Entfernung von oben beobachten. Nachdem außer mir niemand mehr in der Schlucht unterwegs ist, warte ich einfach mal ab. Und ich kann mein Glück kaum fassen. Während Mama Steinbock ihre Jungen von weit oberhalb beobachtet, kommen die beiden neugierigen Steinböcke immer weiter auf mich zu. Fast eine ganze Stunde lang sitze ich am Wegrand und kann die beiden aus wenigen Metern Entfernung fotografieren.
Als hätten sie es von klein auf gelernt, posieren die beiden mal vor der Isère, mal vor der vergletscherten Grande Motte. Erst als ein Trailrunner an uns vorbeiläuft, verziehen sich die beiden jungen Steinböcke in Richtung Elternhaus. Da mittlerweile aber ohnehin mehrere Gewitter hörbar im Anmarsch sind, mache auch ich mich wieder auf den Weg zurück ins Tal. Eine halbe Stunde später treffe ich gerade noch rechtzeitig vor den ersten Regentropfen am Auto ein. Und während es kurz darauf draußen blitzt und donnert, kann ich zufrieden auf einen nicht nur erfolgreichen Ski- sondern auch Fototag zurückblicken!
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.
Solche Erlebnisse sind unbezahlbar..
Oh ja, absolut. :-)