Über den Haast Pass von der Westküste zum Lake Wanaka

Nachdem ich abends erst gegen Mitternacht mit meinen Arbeiten wie Fotos überspielen, Tagebuch schreiben und Camper umbauen fertig werde, lasse ich es am nächsten Morgen gemütlicher angehen und stehe eine Stunde später als gewöhnlich auf. Allzu viel Zeit kann ich mir aber nicht lassen, da ich das WLAN noch ausnutzen will, um meinen Blog zu aktualisieren. Wenn man schon einmal in diesen seltenen Genuss kommt, wäre es fatal, die Chance nicht zu ergreifen. Für das Frühstück reicht es vor der Check-Out-Zeit um zehn Uhr nicht mehr, sodass ich mir im Ort Fox Glacier einen Parkplatz suche, wo ich erst einmal gemütlich ein Croissant esse. Der gestrige Tag steckt mir irgendwie immer noch in den Knochen, sodass ich mir vornehme, heute nicht allzu viel zu unternehmen.

Entlang der Westküste nach Haast

Daher geht es zunächst weiter der Westküste entlang in Richtung Haast, wobei ich zwischendurch des Öfteren anhalte und die raue See mit ihren hohen Wellen bestaune. Leider halte ich es aber an keinem der Orte wirklich lange aus, da hier wieder unglaubliche Mengen an Sandfliegen unterwegs sind, was das Fotografieren nahezu unmöglich macht. Die Bisse der Fliegen jucken derartig, dass ich mir weitere Bekanntschaften unbedingt ersparen möchte. Am Knight’s Point, einem Aussichtspunkt direkt an der Straße und hoch über der Küste, lege ich schließlich meine Mittagspause ein. Der Ort ist ein geschichtsträchtiger, denn an dieser Stelle trafen 1965 die von Süden als auch von Norden vorangetriebenen Straßenbauarbeiten aufeinander. Seither ist die Westküste somit durchgängig befahrbar.

Aussicht auf die einsame Westküste

Straße nach Haast

Außer einigen Touristen scheint die Straße allerdings bis heute niemand wirklich zu benötigen. Kein Wunder, denn die Gegend ist derart abgelegen, dass auch keine Einheimischen unterwegs sein können – schlichtweg, weil es gar keine Einheimischen gibt. Der einzige Ort vor dem Haast Pass, über den die Straße in den stärker bevölkerten Südwesten der Insel führt, ist Haast. „Ort“ ist allerdings schon etwas übertrieben, denn ähnlich wie an den Gletschern besteht die Siedlung eigentlich ausschließlich aus ein wenig touristischer Infrastruktur in Form von Motels, einem Holiday Park, einer Tankstelle und einer kleinen Imbissbude. Was man hier wohl macht, wenn man längere Zeit bleibt? Immerhin kommt mir die Tankstelle gelegen, denn bis Wanaka würde ich es ziemlich problemlos noch schaffen, aber nach den Erfahrungen mit der Spritanzeige will ich lieber noch ein wenig Reserve auffüllen.

Jackson Bay – einer der einsamsten Orte der Welt

Von Haast aus besteht die Möglichkeit, noch rund 50 Kilometer weiter zur Jackson Bay zu fahren, eine noch kleinere und noch abgelegenere Siedlung, deren Einwohner sich heute nahezu an einer Hand abzählen lassen. Ich ziehe es vor, den Weg in Richtung Wanaka einzuschlagen, auf dem zwar auch nicht bedeutend viel Verkehr ist, aber zumindest ist die Straße nicht völlig ausgestorben. Wirklich viel Sehenswertes gibt es unterwegs jedoch nicht zu entdecken. Hier mal ein Wasserfall, dort eine interessante Brückenkonstruktion, aber nichts, weswegen sich ein längerer Aufenthalt lohnen würde. Die Strecke ist schlichtweg eine Durchgangsroute von der Westküste nach Wanaka.

Gletscherblick an der Straße zum Haast Pass

Auf der Suche nach einem geeigneten Campingplatz

Noch vor dem Haast Pass komme ich an einem DOC-Campingplatz vorbei, den ich mir schon vorgemerkt habe, aber auch hier sind wieder derart viele Sandfliegen unterwegs, dass ich an diesem Ort ganz sicher nicht übernachten werde. Da die nächste Campinggelegenheit leider wegen Umbauarbeiten geschlossen ist, fahre ich letztlich doch wieder viel weiter als ursprünglich geplant.

Nach einiger Zeit und bereits weit hinter dem Haast Pass erreiche ich den Lake Wanaka. Der große See, der durch den Gletscherrückgang nach der letzten Eiszeit entstanden ist, präsentiert sich an diesem Tag von seiner rauen Seite. Denn obwohl im Gegensatz zur Westküste die Sonne scheint, weht ein zünftiger Wind, der jeden längeren Aufenthalt außerhalb des Autos unangenehm macht. Der starke Wind entlang des Seeufers ist wohl vergleichbar mit dem Föhn in den Alpen. In diesem Fall kommt die feuchte Luft aus Westen, regnet sich an den hohen Gipfeln der Southern Alps ab und pfeift durch die breiten Täler, wie hier am Lake Wanaka, in Richtung Otago.

Am Ufer des Lake Wanaka

Über den Haast Pass zum Boundary Creek

Am dritten DOC-Campingplatz entlang der Route nach Wanaka werde ich schließlich fündig. Am Boundary Creek existiert ein kleiner Zeltplatz mit einer Toilette. Die absolute Basis-Ausstattung also, aber für mich heute völlig ausreichend. Der starke Wind ist auch auf dieser etwas vorgelagerten Halbinsel spürbar, was jedoch den Vorteil hat, dass es den Sandfliegen hier zu ungemütlich ist und sie daher nicht in Erscheinung treten. Lange überlege ich, ob ich eine oder gleich zwei Nächte hier bleiben soll.

Lake Wanaka vom Boundary Creek gesehen

Letztlich entscheide ich mich dafür, eine weitere Nacht zu bleiben und morgen einen Tag Pause einzulegen. Das Wetter soll ohnehin schlecht sein, sodass es keinen Sinn macht, schon nach Wanaka weiterzufahren. Und außerdem bin ich nach der ganzen Hetzerei zu den Gletschern nun ohnehin viel früher hier als gedacht. Nach vier Wochen Reisen ohne einen Tag Pause mit Programm im Schnitt von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends kann ich einen Tag auch gut gebrauchen, an dem ich einfach nur die Füße hochlege. Dieser nette kleine Campingplatz, auf dem ich letztlich auch noch eine halbwegs windgeschützte Stelle finde, scheint dafür bestens geeignet. Am Wochenende stehen dann bei hoffentlich wieder besserem Wetter die nächsten größeren Wanderungen auf dem Programm.

Die Zubereitung des Abendessens gestaltet sich allerdings wegen des Windes doch etwas schwieriger als gedacht, denn der kleine Gaskocher kommt gegen die Böen einfach nicht an. Bis mein Wasser kocht, vergehen fast 40 Minuten. Aber gut, immer noch besser, als von den Sandfliegen gebissen zu werden.

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