Chamonix – Aiguille du Midi • Natur und Ingenieurskunst

Auch am Abreisetag präsentierte sich der Himmel strahlend blau. Unserer geplanten Fahrt auf die Aiguille du Midi stand daher nichts mehr im Wege. Bereits gegen 8.45 Uhr brachen wir in Richtung Chamonix auf. Noch immer waren in der ganzen Region die letzten Spuren des „Ultra Trail du Mont Blanc“ zu sehen, einem Berglauf, der am Wochenende stattfand. Aufgrund dieser Veranstaltung herrschte rund um Chamonix völliges Chaos. An jedem erdenklichen freien Platz wurde parkiert und ständig liefen trainierende Menschen auf der Strasse herum. Am Montagmorgen hatte dieses Spektakel endlich ein Ende gefunden, sodass wir relativ problemlos eine gute halbe Stunde vor der reservierten Zeit für die Bergfahrt auf dem Parkplatz am südlichen Ende des Bergdorfes ankamen.

Wie im Bericht von Champex bereits angesprochen suchten wir zwei Tage zuvor bereits einmal Chamonix auf, um die ganzen interessanten Seilbahnanlagen im Talboden zu dokumentieren. Der Übersicht halber schiebe ich diese Fotos vor den eigentlichen Bericht vom 28. August.

Das Tal von Chamonix und seine Seilbahnen

Die Region rund um Chamonix ist nicht nur in seilbahntechnischer Hinsicht eines der absolut herausragendsten Täler der gesamten Alpen. Nirgendwo findet man derart weit ins Tal hinabreichende Gletscherarme. Die unglaubliche Höhendifferenz zwischen den hohen Drei- und Viertausendern sowie dem nur auf 1000 Meter Seehöhe liegenden Talboden fasziniert von der ersten Sekunde an.

Dass sich hier, in diesem absolut unwegsamen Gelände der Tourismus und mit ihm die Bergbahnen überhaupt derart etablieren konnten, ist wohl in erster Linie dem höchsten der Alpen zu verdanken, dem Mont Blanc. An und für sich ein einfacher Berg. Vergletschert, aber nicht spektakulär, ein unscheinbares Monster am Horizont. Doch der Superlativ scheint wie so oft anzuziehen. Koste es was es wolle. Das Reiseziel eines jeden Touristen schlechthin ist die Aiguille du Midi am Fusse des Mont Blanc. Dank einer Luftseilbahn bietet sie jedem noch so untrainierten Menschen 3800 Meter Höhe und ein Panorama, das seinesgleichen sucht. Und neben diesem Höhepunkt gibt es auch noch eine ganze Reihe von „normaleren“ Skigebiete.

Tollkühne Ideen und unvergessene Pioniere

Während der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nisteten sich die Skigebiete Col de Balme, Flégère, Grands Montets und einige weitere kleinere Exemplare im Tal von Chamonix ein. Doch da die französische Seilbahnkunst für derart schroffe Felsformationen nicht wirklich gemacht war, kamen damals ungewohnt für die Grande Nation Herstellerfirmen aus anderen Ländern zum Zug. Eine Müller-Seitwärtssesselbahn entstand in Le Tour. Später kam eine Weber-Kabinenbahn mit Technik aus demselben Schweizer Seilbahnhause dort zum Stehen. Nicht zu vergessen die zwar schlussendlich gescheiterte, aber faszinierende Pioniertat von Emil Strub und der Firma Ceretti & Tanfani mit der tollkühnen Idee einer Erschliessung der Aiguille du Midi im Jahre 1924. Erst 1955 wurde der Zugang in über 3800 Meter Höhe durch die saarländischen Firma Heckel Realität.

Später war dann auch Frankreich an der Reihe. Poma erstellte die erste fix geklemmte Zweiersesselbahn des Landes unweit des Dorfzentrums. Im Anschluss sollte es Montaz Mautino sein, die mit ihren im Nachhinein verglichen mit anderen Firmen spärlichen Zahl an kuppelbaren Anlagen doch zahlreiche interessante Bahnen in der Region erbauen konnten. Wie an so vielen Orten sind diese aber inzwischen stark auf dem Rückzug. Gründe genug also, um endlich nicht nur die wahrscheinlich mit Abstand spektakulärsten Seilbahnen der Alpen zu fahren, sondern auch um die bestehende Infrastruktur zumindest fotografisch für die Nachwelt zu erhalten.

Das Skigebiet am Col de Balme

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In einem kleinen Seitental nördlich von Chamonix und östlich des Col des Montets trifft man auf das Skigebiet Le Tour – Col de Balme. Seit einigen Jahren wird es auch durch eine Poma-Kabinenbahn von Vallorcine aus erschlossen. Bei der Bahn in Le Tour handelt es sich aber technisch um ein weitaus interessanteres Exemplar. Hersteller der Anlage ist die Firma Montaz Mautino, die hier eine ihrer seltenen kuppelbaren Kabinenbahnen erbauen konnte. Noch ausgefallener machen die Bahn aber die Stützen. Sie stammen noch von der Vorgängerbahn, einer Kabinenbahn der Firma Weber. Weber setzte in Frankreich das Schraubklemmensystem des Schweizer Konstrukteurs Gerhard Müller ein.

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Auch Montaz Mautino setzte auf Schweizer Technologie, aber von Städeli. Von dieser Firma stammte die Ideen für die Doppelklemme, die an dieser Bahn ihren Dienst verrichtet.

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Die Talstation ist in Kompaktbauweise vor der Station des Vorgängers installiert worden und kommt Montaz-Mautino-typisch in den Farben weiss, braun und rot daher. Auch die Bauweise mit den Tunnelröhren und der zentralen Antriebseinheit trifft man bei quasi jeglichen Anlagen dieses traditionsreichen französischen Herstellers an.

Die Luftseilbahn Flégère

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Die nächste interessante Anlage steht in Chamonix selbst. Die betagte Pendelbahn La Flégère fungiert als Zubringer in das gleichnamige Skigebiet. Bis hin zum Brévent erstreckt es sich und ist das einzige echte grosse Pistenskigebiet von Chamonix. Dennoch sind auch hier zahlreiche aussergewöhnliche Bahn- und Pistentrassierungen anzutreffen.

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Die Talstation der Pendelbahn Chamonix-Flégère. Als Hersteller sprechen mehrere Quellen von Montaz Mautino, die Stützenart passt jedoch eher zur ehemaligen Firma Cables et Monorail, die wohl der ursprüngliche Hersteller gewesen sein dürften. Die Technik dürfte aber so oder so aus dem Hause PHB stammen.

Alt und neu im Skigebiet Brévent

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Zweite Zubringeranlage in das Gebiet um den Brévent und die Flégère stellt die Kabinenbahn Planpraz dar, die mitten aus dem Ortszentrum von Chamonix hinaufführt. Inzwischen handelt es sich bei dieser aus dem Jahr 2009 stammenden Poma-Anlage um das dritte Exemplar auf dieser Strecke. Anfänglich wurde von Chamonix aus eine Pendelbahn nach Planpraz erstellt. Später fand sie ihre Fortführung in einer stützenlosen Anlage zum Brévent-Gipfel. Im Gegensatz zu dieser zweiten Sektion, die bis heute kühn durch die Lüfte schwebt, kam bei der ersten, sehr alten Sektion eine Vielzahl an hohen Betonstützen zum Einsatz. Diese wurden grösstenteils 1979 von der Ersatzanlage, einer der ersten kuppelbaren Montaz Mautino-Anlagen, weiterverwendet.

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Diese historischen Zeitdokumente sollen nur aber endgültig verschwinden, nachdem sie über ein halbes Jahrhundert das Bild dieses Hangs geprägt haben. Die neue Anlage verläuft nun schon seit einigen Jahren parallel dazu. Die Stützen erfüllen somit keine Funktion mehr. Dass der Abbau allerdings etwas länger dauert als gewöhnlich, zeigt sich an diesem Foto. Stück für Stück wird der Beton abgetragen. Eine Stütze ist bereits verschwunden, die zweite dürfte nun, wo ich diese Zeilen schreibe, ebenso bereits der Vergangenheit angehören. Allerdings habe ich so meine Zweifel, ob man mit den Bauarbeiten bis zum Winter wohl fertig sein wird.

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Leider hält sich vor den besagten Stützen eine zähe Nebelbank, sodass vorerst keine guten Fotos möglich sind. Aber wir sollten ja noch einmal bei besserem Wetter nach Chamonix kommen. In den Wolken verschwindet übrigens gerade die Pendelbahnkabine zum Brévent.

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Trotz miserablen Wetters und einer Fernsicht von schätzungsweise einem halben Meter am Gipfel ist die Pendelbahn zur Aiguille du Midi pausenlos im Einsatz.

Altehrwürdige Luftseilbahnen auf die Aiguille des Grands Montets

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Nach viel Frankreich gibt es im nahe Chamonix gelegenen Argentière auch wieder einmal eidgenössische Ingenieurskunst zu bestaunen. In zwei Sektionen erschloss Von Roll zu Beginn der 60er Jahre die 3300 Meter hohe Aiguille des Grands Montets. Nicht ganz unerwartet sind die langlebigen Pendelbahnen heute noch immer tadellos im Einsatz.

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Die etwas französisch anmutende Kabine und das wunderschöne Laufwerk mit Fangbremsen, eine echte Rarität in dieser Talschaft!

Die kuriose Sesselbahn Plan Joran in Argentière

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Gleich neben der Talstation der Pendelbahn zum Croix de Lognan startet dieses einmalige Konstrukt. Nein, hier handelt es sich nicht nur um eine Freiluftgarage, sondern auch um einen Teil der Strecke der Sesselbahn Plan Joran. Die Idee, die hinter dieser Konstruktion steckt, ist vergleichbar mit der Von-Roll-Kabinenbahn in Haute Nendaz. Die Anlage besitzt einen Einstieg im Kassenbereich, von wo es mittels Kettenförderer zur eigentlichen Talstation mit dem Einstieg am Pistenende geht. Im Gegensatz zu Haute Nendaz ist die Strecke dabei aber wesentlich länger und somit noch eine Nummer origineller.

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Das geübte Auge wird es anhand der Sessel bereits erkannt haben. Hier handelt es sich um eine klassische kuppelbare Sesselbahn von Montaz Mautino, inzwischen auch mehr und mehr ein kleiner werdender Bestandteil der französischen Seilbahngeschichte. Antrieb und Abspannung sind in der langen Kompaktstation untergebracht.

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Und was für eine Sesselbahn! Die Strecke verläuft anfänglich unspektakulär, gegen Ende des ersten Drittels gewinnt die Bahn am sichtbaren Steilhang aber massiv an Höhe und entlastet so die Pendelbahn als Zubringer in das Skigebiet von Argentière.

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Die zweite Talstation der Sesselbahn Plan Joran. Farbe, Zustand und generelles Erscheinungsbild verleihen das Prädikat „typiquement français“.

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Ein Blick vom Col des Montets auf das Skigebiet von Argentière. Unten die Pendelbahn Lognan, dahinter die zweite Sektion zur Aiguille des Grands Montets in 3200 Metern Höhe. Sie wirkt jedoch gegen die knapp 1000 Meter höhere Aiguille verte, die aber Sommer wie Winter eher blanche daherkommt, wie ein kleiner, unbedeutender Vorgipfel.

Eine Fahrt von Chamonix auf die Aiguille du Midi

Am Parkplatz eingetroffen wurde schnell ein entsprechender Tunnel ausfindig gemacht, durch den es in Richtung der Talstation der Luftseilbahn zur Aiguille du Midi ging. Bereits zu dieser frühen Stunde hob gerade eine volle Kabine in der Talstation ab (diese Ausdrucksweise ist ob der Steilheit durchaus bewusst gewählt) und sogleich füllte sich das Perron mit einer weiteren Menschentraube. Beim Gang um das Gebäude wurde bereits deutlich, dass sich die Schlange bereits in die geräumige Wartehalle ausgedehnt hatte, die dem Anschein nach wohl erst vor einigen Jahren neu gebaut wurde. Schätzungsweise 150 Personen zählte die Halle, was, wie man uns an der Kasse erklärte, die Reservierung überflüssig mache.

Stattdessen bekamen wir je ein Ticket in die Hand gedrückt und durften uns ganz hinten anstellen. Da wir aber sowieso eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrtszeit eintrafen, bestiegen wir die Kabine wie geplant nach 30 Minuten in der Warteschlange. Zügig ging es vor allem aufgrund des reichlich vorhandenen Personals voran, das gleichzeitig auch die Ticketkontrolle übernahm, da das automatische System nicht wunschgemäss funktionierte. So standen wir also auf dem zweigeteilten Perron, auf dem links und rechts je eine Personengruppe auf die entsprechende Kabine wartete. Dies führte nicht nur zu einer schnellen Füllung der Kabinen, sondern ermöglichte auch, vom Perron aus erste Fotos dieser imposanten Luftseilbahn zu machen.

Zur Erschliessungsgeschichte der Aiguille du Midi per Seilbahn

Über den Mythos und die Geschichte der Aiguille du Midi lassen sich Bücher füllen, wie bereits unter anderem von Pierre-Louis Roy im Werk „L’aiguille du midi et l’invention du téléphérique“ bewiesen. Aus diesem Grund will ich an dieser Stelle nur auf die wichtigsten Eckdaten dieser Jahrhundertkonstruktion verweisen. Wie so oft begann der Tourismus in der Talschaft Chamonix bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu gedeihen. Spätestens seit der Eröffnung des Tramway du Mont-Blanc, einer (auf Teilstrecken) Zahnradbahn aus dem Jahr 1899. Es folgte mit der Zahnradbahn Montenvers zum noch heute weltbekannten Aussichtspunkt auf das Mer de Glace eine erste klassische Bergbahn im Jahr 1909.

Der erste Versuch in der Zwischenkriegszeit

Doch auch die Berge rundherum wollten erschlossen werden, und mit dem Bekanntwerden der ersten spektakulären Luftseilbahnprojekte in Bozen und in Grindelwald sah sich mancher Ingenieur optimistisch, ein ähnliches Werk auf die umliegenden Bergspitzen zu realisieren. Schon von Anfang an war die Aiguille du Midi im Visier der Planer und Konstrukteure. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Planungen konkreter und fanden ihren Abschluss vorerst 1924 in zwei Sektionen Luftseilbahn bis auf 2400 Meter Seehöhe. Als Erbauer zeichnete sich bereits das bewährte Duo Strub / Ceretti e Tanfani verantwortlich, die bereits zuvor am Bau der Kohlernseilbahn in Südtirol beteiligt waren.

Doch die vermeintlich grösste Herausforderung, die Erschliessung des Gipfels der Aiguille du Midi, gestaltete sich schwieriger als angenommen. Mit dem Bau der finalen dritten Sektion wurde zwar begonnen, jedoch entschied man sich schliesslich zu einer Verlegung der Trasse zum 300 Meter tiefer als der Gipfel gelegenen Col du Midi, da eine Direktverbindung aufgrund fehlender technischer Problemlösungen ausschied. Der zweite Weltkrieg tat allerdings sein Übriges dazu, dass die dritte Sektion nie fertig gestellt wurde.

Wer kann solch ein Bauwerk überhaupt realisieren?

Bis heute zeugen von ihr aber zahlreiche Relikte, wie beispielsweise eine Stützenkonstruktion sowie die nie fertig gestellte Talstation. Bis 1955 sollte es schliesslich dauern, ehe nach vielen weiteren Überlegungen schlussendlich ein neues Projekt, und diesmal erfolgreich, bis zum Gipfel realisiert werden konnte. Die bereits gebauten Bahnen dienten hierfür als Transportseilbahnen für das Baumaterial der nun wesentlich grösseren und leistungsfähigeren Anlagen. Nur noch zwei Sektionen sollten es werden. Eine davon mit drei Zwischenstützen zum 2300 Meter hoch gelegenen Plan de l’Aiguille, die zweite stützenlos bis zum 3800 Meter hohen Gipfel.

Doch wer kann solch ein Bauwerk überhaupt realisieren? Auf der anderen Seite des Mont Blanc erstellte der Ingenieur Graf Dino Totino zur selben Zeit drei Sektionen Luftseilbahn in unwegsamem Gelände zur Pointe Helbronner. Bestrebt, die Seilbahnkette weiter auszubauen, mit Chamonix zu verbinden und gar einen Vorgipfel des Mont Blanc in 4200 Meter Höhe zu erschliessen. Doch Chamonix wollte eine Luftseilbahn aus heimischen Fabriken. Noch gab es aber keinen nationalen Hersteller, der sich dieses Projekt zumuten wollte.

Neyret-Beylier, Cables et Monorail, André Rébuffel, sie alle hatten bereits Bahnen realisiert, doch zum Zuge kam ein anderer. Die Firma Heckel aus der Nähe von Saarbrücken, im Saarland gelegen. Seinerzeit besass das heute zu Deutschland gehörende Saarland einen Sonderstatus. Es bildete mit Frankreich eine Wirtschaftsunion. Nicht zuletzt aus diesem Grund dürfte man den Zuschlag an jene Firma vergeben haben, die die bis heute wahrscheinlich ausgefallendsten Seilbahnanlagen der Alpen 1955 fertig stellen konnte. Zwei Jahre vor der Volksabstimmung im Saarland, bei der sich die Mehrheit gegen eine Anbindung an Frankreich und gegen einen eigenen Staat entschied und das Saarland daher in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert wurde. Längst ist die damalige kleine Wiedervereinigung in Vergessenheit geraten, nicht aber so das Werk des Seilbahnherstellers von der Saar.

1955: Eine Seilbahn von der Saar erschliesst die Aiguille du Midi

Bis heute ist die Pendelbahn bekanntlich in Betrieb. Seit über 50 Jahren, wenn auch mit merklichen Umbauten. So stammen nicht nur die Kabinen von Gangloff aus einer Zeit deutlich nach der Eröffnung, auch die Elektronik und zahlreiche andere Komponenten sind schon lange überholt. Geblieben ist einzig der Charme und die atemberaubende Trassierung dieser beiden Sektionen, für deren Beschreibung es gar kein ausreichendes Vokabular zu geben scheint. Bestandteile wie die Stützen und Laufwerke lassen sich aber immer noch zweifelsfrei der Firma Heckel zuordnen. Auch wenn heute in den Kabinen lediglich das Firmenschild der DCSA von Denis Creissels zu finden ist.

Mit der ersten Sektion zum Plan de l’Aiguille

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Zwei von drei Stützen sind bereits von der Talstation aus sichtbar. Bis zur ersten werden bereits über 1000 Meter Höhendifferenz überwunden.

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Eine Kabine auf Talfahrt. Tief hängt das einzige Zugseil der Anlagen durch.

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Der Glacier des Bossons, der noch immer bis auf 1400 Meter Seehöhe reicht.

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Des vestiges d’un ancien temps (1924).

Stützenlos an einer Felswand empor schweben

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Unterwegs zum Gipfel. Klein Matterhorn ist nett, aber das hier ist eine ganz andere Nummer. Schaukeln aufgrund des einzigen Tragseils inklusive. Mit zehn Metern pro Sekunde geht es fast senkrecht den Berg hinauf.

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Die Bergstation im Tele, darunter eine der beiden Kabinen. Am Grat links davon verläuft die Hauptroute Richtung Vallée Blanche und Mont Blanc mit sichtlich regem Bergsteigerverkehr.

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Richtung Dôme du Gouter, 4300 Meter über dem Meer.

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Eindrucksvoll begibt sich die nächste Kabine auf Bergfahrt.

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Ein Steg verbindet die Seilbahnbergstation mit dem Hauptgipfel, Bodenabstand gut 500 Meter. Der Aufzug (und einzige Zugang) zum eigentlichen Gipfel in 3842 Metern Höhe ist leider „en panne“.

Die Télécabine de la Vallée Blanche

Wer gedacht hat, die Sektionen bis auf den Gipfel des Mittagszeigers seien bereits nicht mehr zu überbieten, der riskiere einen Blick auf die Südseite der Aiguille du Midi. Mit seinen Planungen einer Bahn auf das Matterhorn gescheitert und von manchem für seine tollkühnen Vorhaben belächelt war Dino Tortino 1957 an der Aiguille du Midi vermutlich am Ziel seiner Träume angelangt. Soeben hatte er sich mit der Télécabine de la Vallée Blanche ein Denkmal gesetzt. Niemandem zuvor und auch niemandem nach ihm war die Realisierung eines derart atemberaubenden Projekts einer Zweiseilumlaufbahn gelungen.

Fünf Kilometer Luftlinie trennen die Aiguille du Midi von der quasi zur selben Zeit erschlossenen Punta Helbronner. Dazwischen erstreckt sich mit dem Glacier du Géant das ewige Eis. In einem ungeeigneter nicht sein könnenden Terrain gelang es dem italienischen Konstrukteur mittels einer Zwischenstation in einem nahe gelegenen Felsen und einer zwischen zwei Felsen aufgespannten fliegenden Stütze eine Verbindung per Drahtseil zu eröffnen. Während Kilometern überspannt sie den Gletscher, ohne ihm auch nur nahe zu kommen. Bis zu 300 Meter hängen die Kleinkabinen bis heute über dem Eis. Ein Mythos, der seinesgleichen sucht.

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Schon nach wenigen Metern Fahrt mit der Télécabine de la Vallée Blanche – oder, wie sie sich heute nennt, Panoramic du Mont Blanc – eröffnet sich ein faszinierendes Panorama auf die umliegenden Gletscher und 4000er.

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Unterwegs in der weissen Wüste, während einer knappen halben Stunde. In regelmässigen Abständen kreuzen die anderen Kabinengruppen. Immer wieder wird beim Eintreffen einer dieser in der Station verlangsamt. Eine typische fix geklemmte Gruppenumlaufbahn eben. Der Gletscher ist übersäht mit Bergsteigern, von denen die meisten um diese Zeit bereits wieder vom Mont Blanc zurückkehren.

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Man kann nur staunen, wie grossartig Natur und menschliche Ingenieursrafinesse hier aufeinandertreffen.

Vorbei am Mont Blanc zur Punta Helbronner

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Tunnel und Kurve an der grossen Niere, dem Gros Rognon, sind passiert. Nun folgen das längste Spannfeld und der grösste Bodenabstand von gut 300 Metern bis zum „Pylone suspendu“.

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Der Gletscherabbruch Séracs du Géant, an dem der Glacier du Géant in den Glacier du Tacul übergeht.

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Nach einiger Zeit kommt auch wieder die Bergstation Aiguille du Midi hinter dem Gros Rognon hervor.

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Der „Pylone suspendu“, die fliegende Stütze und der wohl aussergewöhnlichste materielle Bestandteil dieser Bahn. Beim Anblick der Leiter kommt mir unweigerlich Led Zeppelin in den Sinn.

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Die gesamte Konstruktion von kurz vor der Pointe Helbronner aus gesehen.

Weitere drei Sektionen Seilbahn trifft man auf der Südseite der Pointe Helbronner an. Von Courmayeur aus wurde die Bergspitze ebenfalls bereits in den 50er Jahren wie angesprochen durch die Funivie d’Italia des Dino Tortino erschlossen. Auch wenn die drei heutigen Sektionen aus technischer Sicht der Firma Agudio zugeschrieben werden können. Gerade die letzte, stützenlose Sektion ist ein Foto wert. Bei ihr dürfte es sich wohl um die kürzeste Luftseilbahn der Alpen handeln, die dem öffentlichen Personentransport dient.

Hightech für die Zukunft am Berg

Doch man kommt auch an diesem geschichtsträchtigen Ort leider nicht drumherum, ein leidiges Thema anzusprechen. Nur noch ein Jahr soll diese letzte Sektion in Betrieb sein. Dann soll sie – wie ihre beiden deutlich längeren Schwesteranlagen – durch eine neue Bahn ersetzt werden. Wer sich bereits über Sitzheizungen und Ledersessel mokiert hat, dem wird die geplante Komfortorgie wohl nicht weniger sauer aufstossen.

Doppelmayr informiert: „Die neuen Kabinen sind ein Schaustück an Ästhetik und Innovation. Durch die Panoramaverglasung kann man die Rundumsicht auf das Bergpanorama ungestört genießen. Die Innenausstattung ist hochmodern ausgelegt: mit Boden- und Wandheizung, Soundanlage und Bildschirmen. Auf diesen werden über Wireless Livebilder der Kamera, die außen am Boden der Kabine angebracht ist, oder Infos wie Wetterdaten und Veranstaltungstipps eingeblendet. Weitere Ausstattungsmerkmale der Hightech-Kabine sind Klimaanlage, einstellbare LED-Beleuchtung und intelligente Pendeldämpfer – um nur einige zu nennen.“

Willkommen auf dem Kinderspielplatz Hochgebirge

Und mit einem Mal wird einem wieder bewusst, dass man sich doch nicht in einer wundersamen Traumwelt über den Gletschern befindet, sondern mitten in Europa. Herzlich Willkommen auf dem Kinderspielplatz Hochgebirge, fühlen Sie sich wie zu Hause! Aber die Innovationen sind natürlich bitter nötig, will man auch weiterhin für das körperliche Wohl der Touristen sorgen, die das Panorama in kurzer Hose und Flip-Flops geniessen möchten. Notfallseelsorger werden vor Ort stationiert, falls jemand den Schock beim Übergang von der Hightech-Kabine in das rudimentäre und nicht-mehr-zeitgemäss-komfortlose Hochgebirge nicht schadlos übersteht.

Ach ja, die neue Bahn wird übrigens gar nicht auf die Pointe Helbronner gebaut, sondern auf den Mont Blanc, wie der entsprechenden Pressemeldung zu entnehmen ist. Dass bislang nur in 3100 und nicht in 3500 Meter Seehöhe drehbare Kabinen zum Einsatz kamen, scheint zudem ungeahnte Herausforderungen zu bedeuten. Glücklicherweise hat man vor 60 Jahren kein derartiges überflüssiges Theater bei einem Seilbahnbau veranstaltet. Sonst dürften wir wohl heute keine derartigen Pioniertaten bestaunen.

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Wenden wir uns wieder den vorhandenen, erfreulicheren Dingen zu. Die dritte Sektion Pendelbahn zur Pointe Helbronner. Sie wird im kommenden April abgebaut, weswegen es bis zur Eröffnung der neuen Bahn drei Jahre lang von Nöten ist, das letzte Stück zu Fuss zu bewältigen.

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Panorama von der Pointe Helbronner in Richtung Süden.

Ein Blick ins Skigebiet von Courmayeur

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Blick in das (Pisten-) Skigebiet von Courmayeur, hier mit einer Kabinenbahn von Agudio sowie der Pendelbahn des gleichen Herstellers zur Cresta Youla. Aber mit der fährt wohl bald keiner mehr, die hat eben keine Heizung und LED und so.

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Die Bergstation der besagten Anlage, die ihre Fortführung in einer weiteren Pendelbahn zur Cresta d’Arp findet, von deren Gipfel es nur noch ungespurte Abfahrten gibt.

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Mal wieder ein Blick zum Mont Blanc.

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Die komplette Strecke der Panoramic du Mont Blanc.

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Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, als hier an der Pointe Helbronner der Sommerskilauf blühte. Die Gletscherlifte wurden restlos abgebaut. Bis auf diese Bergstation, die sich als einziges Bauwerk auf italienischer Seite befindet. Naja, und aus dem Grund steht sie wohl auch noch … Interessant übrigens, dass die Rollen von einem Poma-Schlepplift stammen.

Zurück zur Aiguille du Midi und nach Chamonix

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Die Ausfahrt der Panoramic du Mont Blanc aus der Talstation. Zwar ist überall die Rede davon, dass die Kabinen in der Station anhalten. Doch aufgrund des zwischenzeitlich zunehmenden Betriebs wird die Geschwindigkeit nur gedrosselt und die Fahrgäste mit einem beherzten „Allez, allez vite!“ des Bahnpersonals aus den und in die Kabinen gedrängt werden.

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Auch auf der Rückfahrt ist die Sicht auf den pylone suspendu wieder grandios.

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Panorama von der Aiguille du Midi Richtung Norden. Inzwischen gibt es ein regelrechtes Meer von Quellwolken, während es auf dem Gipfel immer noch sonnig ist.

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Ein Blick von der Aiguille du Midi hinunter zum Plan de l’Aiguille zeigt die weiteren Massen, die auf eine Bergfahrt warten. Bereits beim Ausstieg aus der Panoramic reservieren wir per Platzkarte eine Talfahrt, die uns zwar für 13.45 Uhr versprochen wird, schliesslich aber erst eine halbe Stunde später erfolgt. Dies kommt uns insofern entgegen, als dass wir somit noch ausgiebig das Panorama von den zahlreichen Aussichtsplattformen geniessen können.

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Téléphérique de l’Aiguille du Midi.

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Am Einstieg der Gletscherroute.

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Die Panoramic von der Seite.

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Imposanter Tiefblick auf den Glacier des Bossons.

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Panorama von der obersten Aussichtsterrasse auf dem Dach der Pendelbahn mit dem Mont Blanc.

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Kein herausragendes Foto, durch die verdreckte Scheibe im Warteraum der Talfahrt, aber dennoch zeigt es die überwältigende Steilheit dieses Konstrukts.

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Auf dem Plan de l’Aiguille, so scheint es, erreicht man wieder die gewohnte Welt.

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Mit ihren zehn Metern pro Sekunde springt die Bahn regelrecht über die Stützen. Verlangsamt wird selbstverständlich nicht, schliesslich befinden wir uns in Frankreich.

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Im Landeanflug auf Chamonix.

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Ein Abschiedsfoto von der Kabine darf zum Abschluss eines gelungenen Wochendes mit vielen neuen Eindrücken nicht fehlen.

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