Mit einer Höhe von 2500 Metern über dem Meer ist der Säntis der wohl bekannteste Berg der Ostschweiz. Seine exponierte Lage sorgt dafür, dass er bereits aus weiter Entfernung gut sichtbar ist. Und dementsprechend eindrücklich sind auch die Ausblicke, die sich vom Gipfel bieten.
Dass dieser Gipfel heute ohne grosse Mühen erreichbar ist, ist einer spektakulären Luftseilbahn zu verdanken. Die Säntis-Schwebebahn transportiert mit ihren beiden Kabinen während des ganzen Jahres Touristen, Wanderer und aussichtshungrige Gipfelstürmer in die Höhe. Von der Schwägalp überwindet die Anlage eine Höhendifferenz von nicht weniger als 1122 Metern. Lediglich zwei Zwischenstützen benötigt sie dabei in der oberen Hälfte der rund 2,3 Kilometer langen Strecke. Eine technisch herausragende Seilbahnanlage, die mit ihrem langen Spannfeld zwischen der Talstation und der ersten Stütze sowie mit ihrem grossen Bodenabstand vor den steilen Felswänden des Säntis‘ für einen gewissen Nervenkitzel sorgt.
Erfolglose Anläufe zur Säntis-Gipfelerschliessung
Die 1974 eröffnete Seilbahn ist inzwischen ein echter Klassiker in der Schweizer Seilbahnwelt. Doch sie ist zum Zeitpunkt ihres Baus längst nicht die erste Aufstiegshilfe, die den Säntis-Gipfel erklimmt. Die ersten Pläne für eine Erschliessung des markanten Bergs reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Schon damals ist der Säntis ein beliebter Aussichtsgipfel und das Ziel tausender Touristen. Die Ideen der damaligen Zeit sehen vor, analog zu den bereits bestehenden Bergbahnen an der Rigi und am Pilatus eine Zahnradbahn bis auf den Gipfel des Säntis‘ zu erstellen.
Nach mehreren erfolglosen Anläufen kann 1911 schliesslich der Bau der Säntisbahn in Angriff genommen werden. Vorgesehen ist eine Eisenbahn mit Zahnradabschnitten, die in vier Etappen von Appenzell den Säntis erklimmen soll. Die erste flache Teilstrecke bis Wasserauen kann bereits im Sommer 1912 den Betrieb aufnehmen, doch der kurze Zeit später ausbrechende erste Weltkrieg sorgt letztlich dafür, dass die anderen drei Abschnitte nie vollendet werden.
1935: Die zweite grosse Luftseilbahn der Schweiz
Ambitionen für eine Gipfelerschliessung existieren aber weiterhin. So befassen sich verschiedene Initianten Ende der 1920er Jahre mit einem Projekt zum Bau einer teilweise unterirdisch verlaufenden Standseilbahn von der Schwägalp auf den Säntis, auch ein Konzessionsgesuch für eine Luftseilbahn vom Obertoggenburg auf den Gipfel wird eingereicht. Selbst die ursprüngliche Idee der Zahnradbahn von Wasserauen als Transportmittel lebt wieder auf. Realität wird dann aber zu Beginn der 30er Jahre ein ganz anderes Projekt. Zwei Jahre nach der Erteilung einer Konzession kann die Luftseilbahn Schwägalp-Säntis im Juli 1935 den Betrieb aufnehmen.
Konstrukteur dieser herausragenden Anlage ist das deutsche Unternehmen Bleichert. Der Seilbahnpionier aus Leipzig ist zu dieser Zeit weltweit gefragt im Bau von Luftseilbahnen für Rohstofftransporte im Gebirge und sorgt seit einigen Jahren mit seinem modernen System für Personenseilbahnen in Europa für Aufsehen. An zahlreichen Orten in den Alpen, in Skandinavien oder in Südeuropa erstellt Bleichert seine Pendelbahnen, die auf einem gemeinsam mit dem Südtiroler Seilbahnspezialisten Luis Zuegg patentierten System basieren. Auch in der Schweiz erstellt Bleichert 1928 in Engelberg die erste grössere Luftseilbahn des Landes seit dem 1908 eröffneten Wetterhornaufzug in Grindelwald. Die Luftseilbahn auf den Säntis wird 1935 dann die zweite grosse Bleichert-Anlage in der Eidgenossenschaft.
Eine kapazitätsstärkere Seilbahn für den Säntis
Der Ansturm auf den Gipfel lässt nicht lange auf sich warten. Und so kommt die Luftseilbahn schon bald an ihre Kapazitätsgrenzen. 1960 erhält sie daher grössere Kabinen, doch eine langfristige Lösung ist auch dieser Umbau nicht. Ab 1968 beginnen daher die Planungen für einen Ersatz durch die heutige Anlage. Die Talstation wird dabei an einen anderen, vermeintlich besser vor Lawinen geschützten Ort ein Stück nach Nordwesten verlegt. Genau wie ihr Vorgänger benötigt aber auch sie zwei hohe Stützen, die seither das Landschaftsbild unterhalb des Säntis’ prägen.
Verantwortlich für die Konstrukion zeichnet diesmal der einheimische Hersteller Garaventa. Das Unternehmen aus der Zentralschweiz besitzt bereits zu dieser Zeit eine langjährige Expertise im Bau grosser Luftseilbahnen und kann sich am Säntis gegen die Konkurrenz von Habegger und Von Roll durchsetzen. So entsteht eine der damals grössten Pendelbahnen der Schweiz mit zwei Kabinen für je 100 Personen. Pro Stunde können sie 800 Personen je Richtung befördern.
Ein Muss für Seilbahnliebhaber
Auch die neue Anlage wird im Laufe ihrer mittlerweile über vier Jahrzehnte Betriebsdauer immer wieder saniert und auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Optisch auffälligste Änderung ist im Jahr 2000 der Ersatz der Kabinen durch zwei neue Exemplare. Mit ihrer blauen und grünen Färbung sind sie seither das Markenzeichen der Säntis-Schwebebahn. 2011 erhält die Bahn im Rahmen des bislang letzten grösseren Umbaus neue Laufwerke in Aluminium-Leichtbauweise.
Auch fast neun Jahrzehnte nach der Ersteröffnung und den weit über ein Jahrhundert zurückliegenden ersten Planungen für eine Gipfelerschliessung ist die Luftseilbahn auf den Säntis heute nach wie vor ein beliebtes Ziel für Touristen aus nah und fern. Die Aussicht vom Gipfel ist ohne jeden Zweifel einmalig und absolut sehenswert, doch schon die Fahrt mit der Seilbahn ist ein Erlebnis für sich. Ein Besuch der Säntis-Schwebebahn ist daher nicht nur für Seilbahnfans ein echtes Muss.
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Felix ist Fotograf und Autor, spezialisiert auf Landschafts- und Reisefotografie und zu Hause im Saarland und der ganzen Welt. Wenn er nicht gerade in der Natur oder den Bergen unterwegs ist, schreibt er hier über seine Reisen, die Fotografie oder über sein liebstes Fortbewegungsmittel, die Seilbahn.