Die Seilbahn im Westfalenpark in Dortmund

Das Rheinland ist nicht unbedingt eine Region, die man in einem Atemzug mit dem Begriff Seilbahn nennt. Dass ausgerechnet hier mehrere historisch sehr bedeutende Seilbahnanlagen zu finden sind, ist angesichts der fehlenden größeren Erhebungen doch etwas überraschend. Doch entlang des deutschen Mittel- und Niederrheins siedelten sich bereits ab den 1950er Jahren zahlreiche kleinere und größere Seilbahnen an.

Eine Seilbahn für die Bundesgartenschau in Dortmund

Viele Dörfer und Städte machen sich in der Nachkriegszeit Gedanken darüber, wie sie am besten am aufstrebenden Tourismus in Deutschland teilhaben können. Das Wirtschaftswunder bringt steigenden Wohlstand und flexiblere Mobilität mit sich – und immer mehr Menschen sind in der Lage, ihre Freizeit aktiv zu nutzen. In den Alpen blüht der Ski- und Wandertourismus auf. Und mit ihm werden unzählige Skilifte und Sesselbahnen gebaut. In der Mitte Deutschlands sind die hohen Berge rar gesäht. Skifahren ist im Hochwinter in den Mittelgebirgen möglich, aber nicht vergleichbar mit dem Süden der Bundesrepublik. So entstehen Seilbahnen im Rheinland vermehrt als Erschließungsinstrument für Aussichtsgipfel. Teilweise dienen sie aber auch als innerstädtisches Transportmittel. Ob in Altenahr, Boppard, Solingen oder Köln, Seilbahnen spriessen ab den 50er Jahren plötzlich wie Pilze aus dem Boden.

Auch in der Stadt Dortmund entsteht im Jahre 1959 eine Seilbahn. Der Grund für den Bau ist aber ein anderer als bei den meisten anderen Seilbahnen in der Umgebung. In diesem Jahr findet in Dortmund die Bundesgartenschau statt. Eine Ausstellung zum Garten- und Landschaftsbau, die ab den 50er Jahren in verschiedenen deutschen Städten gastiert. Bis heute wird die BUGA – wie sie kurz genannt wird – in zweijährigem Turnus ausgetragen. Und Seilbahnen auf der BUGA haben bereits in den 50er Jahren eine gewisse Tradition. Schon bei den beiden vorherigen Ausgaben in Kassel 1955 und in Köln 1957 entstehen Seilförderanlagen, die über das Ausstellungsgelände führen. In Kassel ist es eine kuppelbare VR101-Seitwärtssesselbahn der Firma Von Roll, in Köln kommt die Firma Pohlig mit einer Kleinkabinenumlaufbahn zum Zug.

Der traditionsreiche Seilbahnhersteller Pohlig

Pohlig ist es auch, der zwei Jahre später im Dortmunder Westfalenpark den Zuschlag für den Bau einer Seilbahn erhält. Die Firma ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahrzehnten auf dem Gebiet des Seilbahnbaus tätig. Schon Ende des 19. Jahrhunderts exportiert der Kölner Julius Pohlig seine Materialseilbahnen zum Rohstoffabbau in die ganze Welt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzt die Firma die etablierte Technik der kuppelbaren Zweiseilumlaufbahn auch bei Personenseilbahnen ein. Anfang der 50er Jahre entstehen in Rottach-Egern und am Spitzingsee zwei solche Bahnen auf deutschem Boden.

Die Zweiseil-Technik erweist sich für viele Standorte aber als überdimensioniert und zu teuer. Aus diesem Grund erwirbt Pohlig eine Lizenz des Schweizer Unternehmens Giovanola zum Bau von Einseilumlaufbahnen mit automatischer Kuppelklemme. Das System der Firma Giovanola zählt während der folgenden Jahrzehnte zu den am meisten gebauten Kuppelsystemen weltweit. Die Anlage im Westfalenpark ist heute einer der ältesten noch existierenden Zeitzeugen aus der Anfangszeit dieser Erfolgsgeschichte.

Wie so oft bei Parkseilbahnen ist die Ausführung äußerst minimalistisch gehalten. Zum Einsatz kommen offene Zweierkabinen, die in den Stationen automatisch vom Förderseil gelöst werden. Auf diese Weise ist ein komfortabler Ein- und Ausstieg im Stillstand möglich. Fördereinrichtungen in den Stationen gibt es nicht. Der Transport erfolgt händisch, das Beschleunigen und Verzögern über schiefe Ebenen. 500 Meter überwinden die Kabinen bei einer einfachen Fahrt zur Bergstation. Diese liegt 22 Meter höher als die Umlenkstation im Tal und beherbergt neben dem Antrieb auch die Garage für die Kabinen.

Die Seilbahn Westfalenpark – Ein Stück deutsche Seilbahngeschichte

Die Seilbahn im Westfalenpark ist heute die älteste noch existierende Seilbahn in Deutschland, die speziell für eine Bundesgartenschau erstellt wurde. Anders als viele andere solcher Bahnen wurde sie nicht gleich nach Austellungsende abgebaut, sondern erfreute sich auch in den folgenden Jahren großer Beliebtheit. So beispielsweise 1969, als die Bundesgartenschau zehn Jahre nach der Erstausgabe wieder in Dortmund gastierte. Nach einigen Jahren mit sehr eingeschränktem Betrieb ist die Seilbahn heute wieder ein fester Bestandteil der Attraktionen des Westfalenparks. In den Sommermonaten ist sie regelmäßig in Betrieb.

Ein Besuch der Bahn lohnt sich schon allein aufgrund der Ausblicke auf die beeindruckende Parkanlage. Doch nicht nur deshalb, sondern auch wegen ihrer großen historischen Bedeutung. Das Modell Ausstellungsseilbahn machte in Deutschland nicht zuletzt wegen der großen Erfolge in Köln und Dortmund während der folgenden Jahrzehnte Schule. Auch in jüngerer Vergangenheit sind Seilbahnen zu Austellungen eröffnet worden. Zuletzt 2017 in Berlin, davor auch in Rostock und Hannover. Und nicht zu vergessen ist natürlich die heute vielleicht bekannteste ehemalige Ausstellungsbahn – die Rheinseilbahn in Koblenz.

Schreibe einen Kommentar

Sicherheitsabfrage *